Mäuse konnten die Forscher bereits schützen – nun stellt sich die Frage, ob Darobactin auch für Menschen ein wirksames Mittel sein kann.

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Basel/Boston – Im Kampf gegen multiresistente Bakterien, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als größtes Gesundheitsrisiko der Zukunft gesehen werden, ist möglicherweise eine neue Waffe entdeckt worden. Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Basel hat einen natürlichen antimikrobiellen Wirkstoff entdeckt, der einen ungewöhnlichen Angriffspunkt nutzt. In Tests erwies er sich bereits als wirksam gegen gefährliche Keime.

Vor einem Monat hatten Wissenschafter der Universität Zürich im Fachblatt "Nature" bereits von einer neuen Klasse synthetischer Antibiotika mit ungewöhnlichem Angriffspunkt berichtet. Die Studienautoren präsentierten nun ebenfalls in "Nature" einen neuen, natürlichen Wirkstoff namens Darobactin, der den gleichen Angriffspunkt nutzt.

Darobactin wird von bestimmten Bakterien selbst produziert, um Konkurrenz durch andere Bakterien auszuschalten. Fündig wurde das Team unter Leitung der Northeastern University in Boston bei Bakterien der Gattung Photorhabdus, die in bestimmten Fadenwürmern vorkommen. Das neu entdeckte Antibiotikum wirkt gegen einen Bestandteil der Außenhülle von sogenannten gramnegativen Bakterien. Zu diesen gehören einige Keime, die von der WHO als besonders gefährlich eingestuft werden.

Neuer Angriffspunkt

Der Angriffspunkt von Darobactin ist ein Membranprotein namens BamA. Dieses ist für den Aufbau der äußeren Hülle der gramnegativen Bakterien wichtig. Ohne BamA können die Bakterien die äußere Hülle nicht aufbauen und sterben ab. Diesen Angriffspunkt hatten auch die Forschenden der Universität Zürich vor einem Monat für eine neue synthetische Antibiotikaklasse namens OMPTA beschrieben.

"Dass wir in der Natur einen Stoff gefunden haben, der dasselbe ungewöhnliche Ziel angreift, bestätigt deutlich, dass BamA ein geeigneter Angriffspunkt für Antibiotika ist", erklärt Sebastian Hiller vom Biozentrum der Universität Basel. Er vermutet, dass sich gegen die neuen Antibiotika nicht so schnell Resistenzen bilden können. Das BamA-Protein sei für die Bakterien schwierig zu verändern, um damit unempfindlich auf den Angriff durch Wirkstoffe an dieser Stelle zu werden. Zudem sitze es in der äußeren Membran der Bakterien, so dass diese es kaum durch Verteidigungsmechanismen vor einem Angriff schützen könnten.

Erste Erfolge

Forschende der Northeastern University in Boston konnten in Tests mit Mäusen bereits zeigen, dass Darobactin gegen Infektionen mit verschiedenen antibiotikaresistenten Keimen wirkt, die als besonders gefährlich gelten. Darunter beispielsweise Klebsiella pneumonia, ein gramnegatives Bakterium, das Lungenentzündungen und andere nosokomiale Infektionen hervorrufen kann. Von diesen Erregern sind mehrere Stämme bekannt, die gegen viele Antibiotika immun geworden sind.

Nach Angaben der WHO sind vor allem gramnegative Bakterien eine Gefahr, die gegen Carbapenem- und Cephalosporin-Antibiotika resistent sind. Diese Erreger können lebensbedrohliche Infektionen wie Lungen- oder Hirnhautentzündungen, Wundinfekte und Blutvergiftungen verursachen. Die letzte Antibiotika-Klasse, die gegen diese Bakterien auf den Markt kam, stammt noch aus den 1960er-Jahren. Neue Antibiotika werden dringend benötigt, zumal mittlerweile auch Resistenzen gegen das letzte Reserve-Antibiotikum Colistin zunehmen. (APA, 22.11.2019)