Ben, vier, und seine Schwester Alba, sechs, spielen sehr gerne zusammen. Seit Alba in der Schule ist, schreit sie viel herum, schlägt und tritt um sich, sobald die Eltern oder auch die Lehrerin um etwas bitten oder etwas von ihr verlangen. Es hat den Anschein, als würde das Mädchen genau schauen, was passiert, wenn sie sich so verhält.

Marika fürchtet sich insgeheim jeden Tag davor, dass nach der Arbeit zu Hause wieder dicke Luft und Unfrieden herrschen. Ihr zwölfjähriger Sohn Stefan ist seit Wochen nur noch aggressiv. Der junge Mann will scheinbar überall anecken. Wenn Marika ihn dann zurechtweist, bekommt sie nur patzige Antworten oder Schimpfworte, die sie sehr verletzen und ziemlich wütend auf ihren Sohn machen.

Noah ist drei und fängt morgens schon damit an, mit seinen Fäusten gegen die Kinderzimmertür zu trommeln, anstatt sich anzuziehen. Wenn ihm etwas nicht passt, dann wirft er mit dem Spielzeug nach seiner Mama. Er hält sich nicht an Regeln und ignoriert jedes Nein. Für die Mutter wirkt es, als würde ihr Sohn ihr überhaupt nicht gehorchen. Jeder Versuch, ihn zu etwas zu bewegen, endet meist darin, dass der Kleine sich auf den Boden wirft, sich die Ohren zuhält und lautstark singt. Violetta ist in letzter Zeit fast immer am Ende ihrer Nerven.

Weshalb Kinder Aufmerksamkeit suchen

Kinder wollen Aufmerksamkeit von Eltern und Bezugspersonen, Anerkennung, einfach von den Erwachsenen gesehen werden. Mitunter kann es in der Hektik des Alltags passieren, dass diese zu wenig Zeit und damit zu wenig Beachtung für das Kind aufbringen.

Immer wieder versuchen Kinder, sich diese gewünschte Form von Kontakt und positiver Zuwendung auch zu holen, indem sie ein gemeinsames Spiel oder aber eine gemeinsame Unternehmung vorschlagen. Im Alltag kann es aber passieren, dass Eltern und Bezugspersonen durchaus vernünftige Gründe dafür finden, weshalb es gerade nicht möglich ist, miteinander zu spielen, warum der Ausflug auf viel später verschoben werden muss oder sie einfach gerade keine Zeit und Energie haben. Das können Kinder als Zurückweisung verstehen. Und wenn das öfters vorkommt, fühlen sich Kinder unbeachtet.

Irgendwann bemerkt dann der Nachwuchs, dass das Verhalten zwar mit der Konsequenz des Schimpfens und negativen Gefühlen behaftet ist, aber Aufmerksamkeit und Beachtung bringt. So beginnen die Kleinen und Großen einfach damit, beispielsweise das Essen zu verschmähen, sich bei jeder Gelegenheit störend oder aggressiv zu verhalten, freche Antworten zu geben, zu hauen oder zu beißen und ein Nein einfach geflissentlich zu überhören.

Aufmüpfiges Verhalten ist manchmal ein Zeichen für fehlende Aufmerksamkeit.
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Aufmerksamkeit und Beachtung um jeden Preis

Hier beginnt das Problem, dass viele Kinder, die nach Aufmerksamkeit suchen, zum Mittel des Ungehorsams greifen. Wenn sich der Nachwuchs schwierig verhält, bekommt er Aufmerksamkeit und Beachtung, wenn auch negative.

Dies führt dazu, dass Eltern und Bezugspersonen meinen, das Kind möchte sie absichtlich ärgern. In Wirklichkeit entsteht ein Teufelskreis: Die Kinder fühlen sich zurückgewiesen, sind verletzt, geraten mit zunehmender Heftigkeit in Rage, Wut und verlieren oftmals die Kontrolle über ihr Verhalten. Die Erwachsenen rasten aus und kommen damit dem eigentlichen Wunsch der Kinder nach. Sie schenken Beachtung und Aufmerksamkeit – allerdings in einer Form, die sich nicht gut anfühlt und traurig macht.

Weil alles perfekt ist

Dadurch gibt es diese Gratwanderung, der sich Eltern und Bezugspersonen stellen müssen: zwischen den negativen Reaktionen sowie der Nichtbeachtung des Kindes und dem Maß an Lob, positiver, unterstützender, motivierender Würdigung des Verhaltens des Kindes und der Selbstverständlichkeit, wenn etwas gut läuft.

Da gibt es viele Gelegenheiten für Lob und Anerkennung der Eltern und Bezugspersonen, die sich an einem Tag auftun. Wenn die Erwachsenen ihren Nachwuchs ermutigen, so hilft dies dem Kind mitunter, mehr Selbstvertrauen zu erhalten und Stärken besser ausbauen zu können. Zumeist vergessen Eltern und Bezugspersonen schnell, das Kind auch dann zu loben und ihm zu zeigen, wie gut es etwas gemacht hat, wenn es dies schon perfekt kann. Immer wieder tut es den Kindern trotzdem gut, zu hören, wie schön es ist, dass es etwas schon gut kann.

Auch Erwachsene handeln unbedacht

Auch Eltern und Bezugspersonen rufen mitunter in ihren Kindern und Jugendlichen mit manchen unbedachten Aussagen wie "Du isst wie ein Schwein" oder "Du bist doch kein Baby mehr" Ärger hervor. Und genau damit fördern Eltern und Bezugspersonen oft dieses unerwünschte Verhalten der Kleinen.

Auch widersprüchliche Aussagen und Haltungen führen zu Unsicherheiten. Kinder fühlen sich dadurch mitunter verunsichert und wissen nicht, was sie tun sollen. Dies kann dazu führen, dass sie mit ihrem Verhalten Reaktionen hervorrufen, die aber eigentlich auf Unsicherheit beruhen.

Da sind zum Beispiel die eigene Erziehung, die die Erwachsenen etwas nicht schlimm finden lässt, aber gleichzeitig auch die Umwelt, die verlangt, ein gewisses Verhalten zu sanktionieren.

Kinder merken sehr schnell, ob etwas glaubhaft ist oder nicht. Ankündigungen von Eltern und Bezugspersonen, die man ja doch nicht durchziehen kann, rufen oftmals Reaktionen im Kind hervor, das bereit ist, dies auszuprobieren. Deshalb empfiehlt es sich, nur solche Konsequenzen auszusprechen, die auch wirklich machbar und möglich sind. Alles andere führt dazu, dass das Kind erkennt: Es passiert sowieso nicht das, was Eltern und Bezugspersonen ankündigen.

Selbstverständlich ist der Aspekt der Aufmerksamkeit und Beachtung nur einer von vielen, die dazu führen können, dass Kinder und Jugendliche sich dazu verleiten lassen, sich herausfordernd zu verhalten, und wo es zu jedmöglichen Auseinandersetzungen zwischen Eltern bzw. Bezugspersonen und dem Nachwuchs kommen kann.

Ihre Erfahrungen?

Wann sucht Ihr Kind nach Aufmerksamkeit? In welchen Situationen sind Sie es leid, Ihrem Kind Aufmerksamkeit zu schenken? Wann haben Sie das Gefühl, dass Ihr Kind Aufmerksamkeit sucht, die in Ihren Augen nicht angebracht ist? Posten Sie Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 22.11.2019)