Große Spiralgalaxien wie etwa unsere Milchstraße oder die benachbarte Andromadagalaxie bestehen üblicherweise aus mehreren Hundert Milliarden Sternen. Die Zentren solcher Sterneninseln beherbergen meist gigantische Schwarze Löcher von millionen- bis millardenfachen Sonnenmassen. Aber auch irreguläre Galaxien können solche Schwerkraftmonster besitzen. NGC 6240 ist eine Galaxie dieser Klasse und war bisher bekannt dafür, dass ihr gleich zwei supermassereiche Schwarze Löcher innewohnen. Dies musste nach aktuellen Beobachtungen jedoch revidiert werden: NGC 6240 hat nämlich sogar drei supermassive Schwarze Löcher.

NGC 6240 mit einem Durchmesser von 300.000 Lichtjahren liegt in rund 300 Millionen Lichtjahren Entfernung und zählt zu den irregulären Galaxien. Nun haben Forscher in ihrem Inneren eine Überraschendes entdeckt.
Foto: NASA/JPL

Bisher waren Astronomen davon ausgegangen, dass NGC 6240 durch die Kollision zweier kleinerer Galaxien entstanden. Die Vorgängergalaxien bewegten sich mit Geschwindigkeiten von einigen 100 Kilometern pro Sekunde aufeinander zu und befinden sich immer noch im Verschmelzungsprozess. Das für kosmische Verhältnisse nahe, in allen Wellenlängenbereichen eingehend studierte Galaxiensystem in einer Entfernung von etwa 300 Millionen Lichtjahren galt bisher als Prototyp für die Wechselwirkung von Galaxien.

Einmalige Konstellation

"Durch unsere Beobachtungen mit extrem hoher räumlicher Auflösung waren wir in der Lage zu zeigen, dass sich im Zentrum des wechselwirkenden Galaxiensystems NGC 6240 anstatt zwei in Wirklichkeit gleich drei supermassereiche Schwarze Löcher befinden", berichtet Erstautor Wolfram Kollatschny von der Universität Göttingen. Jedes der drei Schwergewichte weist eine Masse von mehr als 90 Millionen Sonnen auf. Dazu befinden sie sich in einer Raumregion von weniger als 3.000 Lichtjahren Durchmesser, also weniger als einem Hundertstel der gesamten Ausdehnung der Galaxie.

"Eine derartige Konzentration von drei supermassereichen Schwarzen Löchern wurde im Universum bisher noch nie entdeckt", ergänzt Peter Weilbacher vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), Koautor der im Fachjoural "Astronomy & Astrophysics" veröffentlichten Studie. "Der vorliegende Fall liefert Hinweise auf die simultane Verschmelzung von ursprünglich drei Galaxien mitsamt ihren zentralen Schwarzen Löchern."

Das Very Large Telescope der ESO zeigt: Die Galaxie NGC 6240 beherbergt drei supermassereiche Schwarze Löcher.
Foto: Weilbacher (AIP), NASA, ESA, the Hubble Heritage (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration, und A. Evans (University of Virginia, Charlottesville/NRAO/Stony Brook University)

Die Entdeckung dieses Dreifachsystems ist von grundsätzlicher Bedeutung, um die zeitliche Entwicklung von Galaxien zu verstehen. Bisher war nicht erklärbar, wie sich die größten und massereichsten Galaxien, die wir aus unserer kosmischen Umgebung in der "Jetzt-Zeit" kennen, nur aufgrund normaler Galaxienwechselwirkung und Verschmelzung im Verlauf der vergangenen rund 14 Milliarden Jahre, dem Alter unseres Universums, gebildet haben. "Wenn es jedoch auch zu simultanen Verschmelzungsprozessen mehrerer Galaxien kam, konnten sich die größten Galaxien mit ihren zentralen supermassereichen Schwarzen Löcher wesentlich schneller entwickeln", fasst Weilbacher zusammen. "Unsere Beobachtungen liefern den ersten Hinweis auf dieses Szenario."

So scharf wie Hubble

Für die einzigartigen hochpräzisen Beobachtungen von NGC 6240 mit dem Very Large Telescope des European Southern Observatory (ESO) in Chile kam der 3D-MUSE-Spektrograf im räumlich hochauflösenden Modus zusammen mit vier künstlich erzeugten Laser-Sternen und einem adaptiven Optik-System zum Einsatz. Die hochempfindliche Technik liefert Bilder mit einer Schärfe wie das Weltraumteleskop Hubble, jedoch zusätzlich auch ein Spektrum von jedem Bildpixel. Diese spektroskopischen Untersuchungen waren entscheidend für die Bestimmung der Bewegung und Massen der supermassereichen Schwarzen Löcher in NGC 6240.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die beobachtete, sich anbahnende Verschmelzung der supermassereichen Schwarzer Löcher in wenigen Millionen Jahren auch sehr starke Gravitationswellen erzeugen wird. In absehbarer Zukunft können Signale ähnlicher Objekte mit dem geplanten satellitengestützten Gravitationswellendetektor LISA vermessen und weitere verschmelzende Systeme entdeckt werden. (red, 21.11.2019)