Die Künstlerin Hanna Burkart hat ihre Wiener Wohnung aufgegeben. Seither lebt sie als Nomadin in Fabriken, Garagen und leerstehenden Marktstandln. Mitunter weiß sie in der Früh nicht, wo sie die Nacht verbringen wird.

"Für ein paar Tage wohne ich hier am Viktor-Adler-Markt, Stand 129, in Wien-Favoriten. Und ich weiß: Wenn das Wohngespräch bei euch im STANDARD erschienen sein wird, werde ich schon wieder seit ein paar Tagen ganz woanders sein, denn ich bin eine Nomadin, ziehe permanent von einem Ort an den anderen. An manchen Orten bleibe ich zwei, drei Monate, an anderen, so wie hier, vielleicht nur ein paar Tage.

Die Künstlerin Hanna Burkart im Marktstand 129 am Viktor-Adler-Markt in Favoriten.
Foto: Maria Ritsch

Wo ich gerade wohne, ist nicht immer planbar. Manchmal weiß ich es schon lange im Voraus, doch an manchen Tagen passiert es, dass ich in der Früh noch nicht weiß, wo ich am Abend übernachten werde. Ob mir das Angst macht? Nein, überhaupt nicht! Ich bin neugierig, und ich habe ein so großes Interesse an Orten und Menschen, dass die Vorfreude jede mögliche Angst vor dem Ungewissen übertrifft.

Begonnen hat alles vor dreieinhalb Jahren. Damals habe ich beschlossen, meine Wohnung am Brigittaplatz aufzugeben und von da an eine andere Lebensform aus zuprobieren. Die Routine der Wohnrituale und die Omnipräsenz von Objekten in Form von Möbeln und irgendwelchen Gegenständen, die einen permanent umgeben, habe ich plötzlich als Belastung erlebt, als eine gewisse Stagnation, von der ich mich plötzlich losreißen wollte.

Viele Dinge von früher hat Hanna Burkart verschenkt, manches verkauft oder eingelagert.
Foto: Maria Ritsch

Das habe ich dann auch gemacht – ohne groß zu wissen was als Nächstes kommt. Viele Dinge habe ich verschenkt, einige habe ich auf willhaben.at verkauft, andere wiederum hat mein Vater übernommen und in seiner Wohnung eingelagert. Es war so ein schönes Gefühl und so eine unglaubliche Erleichterung, weil plötzlich eine große materielle Verantwortung von mir gefallen ist.

Mit meinem damaligen Lebensgefährten Philipp Furtenbach hatte ich einen Menschen an meiner Seite, der einen ähnlichen Wunsch zum Nichtwohnen hatte. Gemeinsam haben wir das Kunstprojekt "Prehab" ins Leben gerufen, haben uns also die Fragen gestellt: Was kommt vor dem Wohnen? Was ist die Urform des Habitats, bevor man überhaupt von Wohnen sprechen kann, so wie wir Wohnen heute definieren? Und so entstehen an allen Orten, wo ich wohne, ortsbezogene Arbeiten wie etwa Interventionen, Installationen, Konzepte oder Dokumentationen. Das Wohnen ist eine Arbeitsstrategie, um Orte und Gegebenheiten besser kennenzulernen. Wo hört das Arbeiten auf? Wo fängt das Wohnen an? Diese Grenze gibt es bei mir nicht.

Hanna Burkart hat in den letzten Jahren auch schon in einem Kuhstall, einer Kantine und einem Portiershaus gewohnt.
Foto: Maria Ritsch

In den letzten Jahren habe ich an ganz unterschiedlichen Orten gewohnt, in Leerständen und generell meist an Orten, die ursprünglich nicht fürs Wohnen errichtet wurden. Da gab es einen Kuhstall, eine Kantine, ein Portiershaus, eine ehemalige Garage, einen Ausstellungsraum, eine Manufaktur für Bandagen und ein altes Sanatorium. Und nun, im Zuge der Arbeit Bei mir und bei dir bewohne ich den Marktstand 129 am Viktor-Adler-Markt in Favoriten.

Dieses Standl ist ein dreiseitig verglaster Raum, und im Vergleich dazu, wie viel da draußen passiert, ist es hier drinnen erstaunlich ruhig. Es stört mich nicht, dass da draußen Menschen vorbeigehen und reinschauen. Ich fühle mich in keinster Weise beobachtet. Denn das Schauen beruht auf Gegenseitigkeit. Es reizt mich nicht, es stört mich nicht, es ist einfach eine Gegebenheit, die da ist. Schon bald werde ich wieder ganz woanders sein und neue Orte erwohnen.

Dass Menschen in ihr temporäres Zuhause im Marktstand hineinschauten, störte sie nicht: "Das Schauen beruht auf Gegenseitigkeit."
Foto: Maria Ritsch

Meine nächste Station ab Jänner jedenfalls ist Tokio, wo ich für drei Monate als Artist in Residence leben werde. Wo ich bis dahin den ganzen Dezember über wohnen werde, ist noch nicht ganz klar. Wünschen würde ich mir einen Ausstellungsraum oder eine leerstehende Wohnung – oder vielleicht endlich auch einmal eine Hotelsuite! Eine solche hatte ich bislang noch nicht im Repertoire!" (Wojciech Czaja, 25.11.2019)