Joschka Fischer, deutscher Außenminister 1998–2005, und Madeleine Albright, US-Außenministerin 1997–2001, an der CEU in Wien.

Foto: Matthias Cremer

Die renommierte Central European University (CEU) hat erst vor wenigen Wochen seinen Campus in Wien-Favoriten eröffnet. Was Wien mit der Universität gewinnt und Budapest, von wo sie vertrieben wurde, verliert, ist bereits unübersehbar.

Am Donnerstag trafen einander Madeleine Albright und Joschka Fischer, die Außenminister der USA und Deutschlands um die Jahrtausendwende, für eine hochrangige Diskussion in der CEU über die Lehren von 1989. Mit auf dem Podium saß Daniel Mitow, bis 2017 Außenminister Bulgariens.

Nach einer kurzen Protesterklärung von jungen Linken, die Albright als „neoliberale Imperialistin“ und „Schlüsselfigur der amerikanischen Kriegsmaschinerie“ beschimpften, erklärte die Amerikanerin mit tschechischen Wurzeln, warum der Traum von 1989 aus ihrer Sicht zum Teil geplatzt ist: Man habe im Westen nicht genug verstanden, wie sehr die Gesellschaft Osteuropas von Kommunismus und Diktatur durchdrungen war und wie dies die Menschen verändert hat; die Privatisierungen seien zu schnell geschehen, und: „Wir haben zu viel Zeit mit den Eliten verbracht und nicht geschaut, wie Normalbürger leben.“ Dazu sei die gesichtslose Globalisierung gekommen, die die Suche nach Identität verstärkt habe, und die unvorhersehbaren Folgen neuer Technologien.

Staatssicherheitsapparat nicht zerschlagen

Mitow, der den Mauerfall als Elfjähriger in Sibirien erlebt hat, wies auf andere Fehler hin: Man habe den Staatssicherheitsapparat und dessen Netzwerke nicht zerschlagen und zugelassen, dass deren Vertreter in der neuen Ordnung an die Spitze gelangen. Man habe zwar den Markt reformiert, aber nicht das Justizwesen. „Die Staatsanwaltschaft arbeitet immer noch im sowjetischen Stil“, sagte er. Es sei auch nicht gelungen, eine freie Presse zu schaffen. Die Marktreformen hätten in einigen Fällen autoritäre Kräfte gestärkt und ihnen die Mittel gegeben, um die Menschen zu unterdrücken.

Fischer bezeichnete hingegen 1989 als „große Erfolgsgeschichte“. Das Leben von Millionen Menschen habe sich dramatisch verbessert. Dazu habe auch die Großzügigkeit der EU beigetragen, die dies aber schlecht verkaufe. Den Anstieg des Nationalismus in Europa begründet der Ex-Grüne damit, dass der äußere Feind weggefallen ist. „Das Schlimmste, was die Sowjetunion dem Westen angetan hat, war zu verschwinden.“

Zu viele hätten außerdem die Folgen des früheren Nationalismus vergessen, sagte Fischer und zitierte ein deutsches Sprichwort: „Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.“ Die Folge davon seien stets gebrochene Beine. (Eric Frey, 21.11.2019)