Neue genetische Methoden versprechen die Möglichkeit von Designerbabys, die bestimmte Eigenschaften haben. Doch bei bestimmten Merkmalen wird das wohl Utopie bleiben.

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Das Buch "Kurze Antworten auf große Fragen", das der große britische Physiker Stephen Hawking nach seinem Tod als eine Art Vermächtnis hinterließ, enthielt auch eine warnende Prophezeiung: "Einige Forscher werden der Versuchung nicht widerstehen können, die menschlichen Fähigkeiten zu verbessern. Sobald diese ersten ‚Übermenschen‘ auftauchen, wird es erhebliche politische Probleme geben."

Dass es damit so schnell ernst werden könnte, hätte sich womöglich auch Hawking nicht träumen lassen: Der chinesische Forscher He Jiankui berichtete vor knapp einem Jahr von der Geburt von Zwillingen im Oktober 2018, die durch die Ausschaltung eines Gens resistent gegen eine Ansteckung mit HIV seien. Heftige Kritik war die Folge, denn gentechnische Eingriffe in die menschliche Keimbahn gelten nach wie vor als tabu, zumal wenn es um eine "Verbesserung" der Babys geht und nicht darum, sie vor einer tödlichen Erbkrankheit zu bewahren.

Genetische Diagnosen an Embryos

Neben solchen verwerflichen Eingriffen mittels sogenannten Genome-Editings gibt es freilich noch eine andere Methode, um zu einem nach elterlichen Wünschen designten Baby zu kommen, nämlich mittels Präimplantationsdiagnostik (PID). Dabei werden genetische Untersuchungen an Embryonen durchgeführt, die durch In-vitro-Fertilisation erzeugt wurden. Und die Ergebnisse dieser Diagnosen entscheiden darüber, ob ein Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht.

Dieses Verfahren ist in Österreich seit 2015 nur unter strengen Auflagen zugelassen: nämlich wenn das ernstliche Risiko besteht, dass es beim eingepflanzten Embryo zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt. In anderen Ländern ist das anders: Dort ist es theoretisch auch möglich, den einzupflanzenden Embryo nach Geschlecht oder anderen Eigenschaften auszusuchen, die an ein einziges Gen geknüpft sind.

Wie aber ist das mit Eigenschaften, die nachweislich von hunderten Genen abhängen und multifaktoriell sind? Mittlerweile bieten angeblich bereits erste Firmen prädiktive Gendiagnostik für solche multifaktoriellen Eigenschaften an. Doch können solche Angebote tatsächlich seriös sein? Israelische Wissenschafter um Shai Carmi (Hebräische Universität Jerusalem) gingen dieser Frage ganz grundsätzlich nach – und zwar bezüglich zweier Merkmale, die besonders gut erforscht sind: der Intelligenz und der Körpergröße, an denen hunderte von Genen beteiligt sind.

"Polygenic Scores" als Auswahlhilfe

Um diese komplexen genetischen Einflüsse in ihrer Stärke zu messen, haben sich Forscher in den letzten Jahren einen statistischen Wert einfallen lassen, der die Komplexität auf einen einzigen Wert reduziert, den sogenannten "Polygenic Score". Diese Zahl errechnet sich aus der Summe aller verbreiteten genetischen Varianten, die zu einem erblichen Merkmal beitragen, gewichtet nach deren Effektstärke. Hilft also das Wissen um den jeweiligen Polygenic Score, Embryonen auszuwählen, die größer und intelligenter werden als andere?

Carmi und sein Team verwendeten für ihr wissenschaftliches Gedankenexperiment Genomdaten von 102 jüdischen Paaren mit Aschkenasi-Herkunft und von knapp 1000 griechischen Männern. Zunächst kombinierten sie fiktiv das Erbgut sowohl von echten Paaren als auch von zufällig zusammengestellten, um pro Paar zehn hypothetische Embryogenome zu entwerfen. Anschließend sagten sie auf Grundlage von Polygenic Scores – basierend auf den Daten zu Erbgut und Erscheinungsbild der zwei Bevölkerungsgruppen – für jeden Embryo Größe und IQ-Wert vorher.

Keine großen "Verbesserungen"

Im Anschluss verglichen sie für ihre Studie den Embryo mit dem "besten" Erscheinungsbild mit dem Durchschnitt aller zehn hypothetischen Embryonen eines Paares und stellten fest, dass selbst bei der Auswahl der erwünschten in vitro befruchteten Embryonen maximal eine IQ-Steigerung um 2,5 Punkte und eine Größenveränderung um etwa 2,5 Zentimeter möglich wäre. Anschließend wendeten sie ihre Methode auf Datensätze von Familien an, die eine große Anzahl Kinder haben (durchschnittlich zehn). Sie stellten fest, dass jene Kinder, die sie anhand ihrer Methode für Körpergröße auswählten, tatsächlich nicht die größten Kinder in der Familie waren.

Die nicht wirklich überraschenden Ergebnisse, die im Fachblatt Cell publiziert wurden, führten damit zum einen vor Augen, dass die Möglichkeiten der Vorhersage über multifaktorielle Merkmale eines heranwachsenden Menschen extrem begrenzt sind. Zum anderen stellen sie auch die Nützlichkeit und Anwendbarkeit dieser Möglichkeiten in Zweifel: PID und Polygenic Scores scheinen mithin wenig geeignet, um überambitionierte Eltern in näherer Zukunft mit kleinen Genies oder künftigen Basketballstars zu beglücken. (tasch, 21.11.2019)