Südamerika kommt nicht zur Ruhe. Zuletzt waren dort zahlreiche Länder von heftigen Protesten erschüttert worden. In Bolivien trat Präsident Evo Morales nach Wahlfälschungsvorwürfen zurück und floh ins Exil nach Mexiko. In Chile einigten sich die Regierung und die Opposition nach wochenlangen Demonstrationen darauf, eine neue Verfassung auszuarbeiten. In Ecuador musste die Regierung wegen heftiger Proteste die Streichung von Benzinsubventionen wieder zurücknehmen. Und in Venezuela herrscht seit der gefälschten Präsidentenwahl im vergangenen Jahr das politische Chaos samt wirtschaftlicher Agonie.

Nun schwappt die Protestwelle auch auf das bisher relativ stabile Kolumbien über.

Der Funke springt über

Am Rande von größtenteils friedlichen Demonstrationen gegen die konservative Regierung von Präsident Iván Duque kam es zu heftigen Ausschreitungen. In der Hauptstadt Bogotá schleuderten Vermummte Steine auf die Polizei, die Beamten feuerten Tränengas in die Menge und setzten Wasserwerfer ein, wie am Donnerstag zu sehen war. Demonstranten steckten Barrikaden in Brand, zerstörten Bushaltestellen und griffen Geschäfte an.

Am Bolívar-Platz im Zentrum Bogotás versammelten sich vor allem Studenten.
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Nach Angaben der Polizei wurden im ganzen Land 28 Beamte verletzt, die meisten in der Großstadt Cali im Südwesten des Landes. Dort verhängte der Bürgermeister eine Ausgangssperre, 25 Menschen wurden festgenommen. Insgesamt nahmen nach offiziellen Angaben rund 200.000 Menschen an den Protesten in Bogotá und Medellín, Cali und Barranquilla teil.

Unzufriedenheit mit konservativer Regierung

Zuvor waren tausende Kolumbianer im ganzen Land gegen die Regierung Duque auf die Straße gegangen. Die Proteste richteten sich unter anderem gegen geplante Arbeits- und Pensionsreformen sowie die zunehmende Gewalt gegen soziale Aktivisten.

Präsident Duque versucht zu beschwichtigen.
Foto: EPA/NICOLAS GALEANO

"Ich bin nicht einverstanden mit unserem Wirtschaftssystem, in dem die Regierung nur die großen Firmen unterstützt", sagte der Demonstrant Miguel Guerra in Bogotá. Clara Ines Guerrero sagte: "Das Land zerfällt. Das neoliberale System zeigt bereits erste Risse."

In der Hauptstadt kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Foto: imago images/Agencia EFE

Zahlreiche Sicherheitskräfte waren im Einsatz, die Grenzen zu den Nachbarländern wurden geschlossen, Bürgermeister und Gouverneure erhielten das Recht, Ausgangssperren zu verhängen. "Wir können unterschiedlicher Meinung sein und unsere Überzeugungen zum Ausdruck bringen, aber das Wichtigste ist, friedlich zusammenzuleben", sagte Duque. (red, APA, 22.11.2019)