Bild nicht mehr verfügbar.

Ephemere Erscheinung: Aus der Perspektive des Nils sind die Pyramiden gerade erst in aller Eile hochgezogen worden.
Foto: AP Photo/Amr Nabil

Auf ein Alter von etwa fünf Millionen Jahren hatte man den Nil bislang geschätzt. Das ist nach geologischen Maßstäben nicht übermäßig viel – umgerechnet auf menschliche Dimensionen sieht das aber schon ganz anders aus: Vor fünf Millionen Jahren war der menschliche Stammbaum noch nicht einmal beim Australopithecus angekommen. Den alten Ägyptern galt der Nil also mit einigem Recht als "ewiger Fluss".

Nun berichten US-Forscher im Fachmagazin "Nature Geoscience", dass man den Nil bisher kräftig unterschätzt hat. Sie analysierten vulkanisches Gestein im Hochland von Abessinien, wo mit dem Blauen Nil der wasserreichere der beiden Quellflüsse des Nils entspringt, sowie Sedimente aus der Mündung des Flusses ins Meer. Und sie kommen zum Ergebnis, dass der Nil 30 Millionen Jahre auf dem Buckel hat, also sechsmal so alt ist wie gedacht.

Der Mechanismus im Mantel

Das Hochland von Abessinien ist laut dem Team um Claudio Faccenna von der University of Texas die Region, auf die es ankommt. Es habe sich vor etwa 30 Millionen Jahren sehr rasch erhoben, als aus dem tiefen Erdmantel ein sogenannter Plume aufstieg, also ein senkrechter Strom heißen Gesteins. Dieser Plume habe zugleich eine Art Förderband im Mantel in Gang gesetzt: Die Aufwärtsströmung hält das Hochland von Abessinien seitdem auf konstanter Höhe, während auf der gegenüberliegenden Seite, im Norden, die Kruste nach unten gezogen wird. Das ergibt an der Oberfläche ein stetiges leichtes Gefälle, das den Nil auf Kurs hält.

In Computersimulationen spielten die Forscher verschiedene Szenarien durch, bis sie schließlich zu einem Modell kamen, das dem Resultat in der wirklichen Welt entsprach – und damit zu ihrer Aussage, wann und wie der Flusslauf des Nils zustande kam. Ihre Methode wollen sie nun auch auf andere große Flüsse wie den Kongo oder den Jangtse anwenden.

Unabsehbare Auswirkungen

Ohne diese Strömung im Erdmantel, die alle anderen Faktoren aussticht, hätten Geologie und Topografie schon vor langer Zeit dafür gesorgt, dass der Nil seinen Flusslauf nach Westen verschiebt, betonen die Forscher. Und das hätte gravierende Auswirkungen haben können: Immerhin hat sich im allerjüngsten Bisschen der langen Geschichte des Nils entlang seines Laufs eine pyramidenbauende Zivilisation entwickelt.

Flösse er nach Westen ab, wäre das Alte Ägypten nicht in der uns bekannten Form entstanden. Seine Wechselbeziehungen mit benachbarten Zivilisationen hätten anders ausgesehen, und nicht nur der Fluss selbst, sondern auch die menschliche Geschichte hätte aller Wahrscheinlichkeit nach einen ganz anderen Verlauf genommen. (jdo, 30. 11. 2019)