Mit Säulen will die Stadt Linz an jüdische NS-Opfer erinnern.

Foto: APA/STADT LINZ/ANDREAS STRAUSS

Linz – Die Stadt Linz wird Erinnerungszeichen für jüdische NS-Opfer in der einstigen "Führerstadt" aufstellen. Sie veröffentlichte am Donnerstag das Ergebnis eines Gestaltungswettbewerbs. Demnach entschied sich die Jury mit eindeutiger Mehrheit für den Entwurf des Künstlers Andreas Strauss: eineinhalb Meter hohe Stelen samt Klingel.

20 Säulen

In einem ersten Schritt ist geplant, im kommenden Jahr etwa 20 Säulen in Linz aufzustellen – zunächst in jenen Straßenzügen, wo jüdische NS-Opfer ihre letzte frei gewählte Wohnadresse hatten. Sie sind aus Messing gefertigt und mit glatter Oberfläche formal schlicht gehalten. Mit eineinhalb Meter Höhe, 35 Zentimeter Breite und rund vier Zentimeter Tiefe sollen sie sich gut in den Stadtraum einfügen. In das jeweilige Objekt werden die Wohnadressen der NS-Opfer mit den jeweils zugeordneten Namen, Geburts- und Todesdaten beziehungsweise auch Deportations- und Fluchtdaten graviert. Sie sind so gestaltet, dass später auch Namen von Opfern, die bisher unbekannt sind, ergänzt werden können. Direkt neben den Namen sind mechanische Türklingeln angebracht, die, wenn man sie drückt, einen leisen Klingelton erzeugen – als mehrdeutige Metapher des Erinnerns.

Referenzen von Strauss

Der in Wels geborene Künstler Andreas Strauss lebt und arbeitet in Ottensheim und Wien. Strauss studierte von 1996 bis 2004 in der Metallklasse bei Helmuth Gsöllpointner an der Kunstuniversität Linz. 2013 erhielt er den Kulturpreis des Landes Oberösterreich. Strauss ist in Linz und Umgebung im öffentlichen Raum unter anderem mit etlichen "nutzbaren Objekten" vertreten: Dasparkhotel (ursprünglich im Donaupark Linz, heute am Rodlgelände in Ottensheim), der seit 2008 am OK-Platz befindliche "Froebe" und der "Multispace" am Parkdeck 14, ein "Containerhafen" als Aufenthalts- und Kunstvermittlungsbereich im Rahmen der Ausstellungen "Höhenrausch" 2018 beziehungsweise "Sinnesrausch" 2019.

"Keine Stolpersteine"

Mit den Stelen, die im Linzer Ausbildungszentrum der voestalpine angefertigt werden sollen, geht die Stadt Linz einen eigenständigen Weg des Gedenkens. Sie konnte sich nicht mit dem in anderen Städten verwirklichten Projekt "Stolpersteine" – kleine, in den Boden eingelassene Gedenktafeln aus Messing – anfreunden. Mit der Suche nach einer Alternative verstrich etliche Zeit. Das trug ihr auch Kritik von Talya Lador-Fresher, der Vorgängerin des designierten israelischen Botschafters in Österreich, Mordechai Rodgold, ein. Linz antwortete mit dem Hinweis, dass man mit der örtlichen Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) im Bemühen um ein würdiges Gedenken in bestem Einvernehmen sei.

Zudem verwies Linz darauf, dass sich die Stadt immer wieder um das Thema gekümmert, dieses unter anderem auch wissenschaftlich aufgearbeitet habe. Außerdem erinnerte sie an eigenständige und selbstkreierte Projekte wie im Jahr 2009 – als Linz Europäische Kulturhauptstadt war – mit dem Titel "In Situ" (lateinisch für "an Ort und Stelle"). Dabei wurde mit Sprayaktionen an 65 Schauplätzen auf Orte im Zusammenhang mit der NS-Zeit sowie weitgehend unbekannte Einzelschicksale hingewiesen.

Dem heuer zu Jahresbeginn ausgeschriebenen Gestaltungswettbewerb "Erinnerungszeichen für NS-Opfer in Linz" sei ein mehrmonatiger Diskussionsprozess der Stadt mit der IKG über die Vorgehensweise vorausgegangen. Auch die Friedensinitiative Linz und der Stadtkulturbeirat Linz hätten sich sehr produktiv beteiligt, berichtete die Stadt Linz in einer Pressekonferenz am Donnerstag mit unter anderem Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP), dem Künstler und der Präsidentin der IKG Linz, Charlotte Herman, die auch der Jury angehörte.

Ehemalige "Führerstadt"

Der in Braunau geborene Adolf Hitler (1889–1945) hatte in Linz die Schule besucht und die Stadt immer als seine Heimatstadt betrachtet. Während des NS-Regimes trug Linz als einer von nur fünf Orten des Deutschen Reiches den Titel "Führerstadt". Hitler wollte hier seinen Alterssitz errichten und plante längerfristig einen umfangreichen, monumentalen Umbau, der jedoch nicht verwirklicht wurde. Auch Adolf Eichmann, einer der Hauptorganisatoren des Holocausts, wuchs in Linz auf. (APA, 22.11.2019)