"Hot Springs" im Wuk als Wellness-Kulturerlebnis, bei dem, wer genauer hinhört, auch listige Poetik entdeckt.

Foto: Philipp Horak

Wie steht es um unser Sexleben? Läuft es wie ein Glöckerl, ist es ein bisserl durchgesessen, oder liegt es eher flach? Auf und für alle Fälle ackern auffallend viele aktuelle Tanzstücke und Performances die An- und Abwandlungen der zeitgenössischen Erotik durch, deren ästhetische, ethische, mediale und politische Aspekte mit einigem Genuss künstlerisch aufbereitet werden. Auch das Wiener Künstlerpaar Laia Fabre und Thomas Kasebacher, das unter dem Label Notfoundyet arbeitet, ist von Venus und Amor geküsst und zeigt daher – noch bis Samstag im Wiener Wuk – seine neue Arbeit Hot Springs als intimes immersives Erlebnis.

Immersion bedeutet auch in der Performance, dass sich das Publikum mitten im Geschehen befindet und zur Mitwirkung angehalten wird. Muss also, wer diese heißen Quellen besucht, seine oder ihre Hüllen fallen lassen und ...? So viel sei gesagt: Wer vorhat, in dieses Werk einzutauchen, möge sich tunlichst keine falschen Hoffnungen machen. Ein populäres Bibelwort lautet schließlich: „Im Anfang war das Wort.“ Fabre und Kasebacher nehmen das wörtlich. Und sie legen in der Folge nahe, dass, wenn das Nötige gesagt ist, durchaus ein Quell heißer oder zumindest schwüler Fantasien entspringen kann.

So sehr chillig

Am Beginn von Hot Springs fließt also erst einmal das Wort. Natürlich auf Englisch, weil sich’s in unseren popkulturellen Zeiten eingebürgert hat, die beinahe unerträgliche Leichtigkeit dieser Sprache vor allem dann zu verwenden, wenn entspannte Lässigkeit angesagt ist. Und „chillig“ ist jetzt so gut wie immer gefragt. Was auf Deutsch entlarvend peinlich klingen kann, wirkt englisch dahergeplaudert immer noch täuschend cool. Überhaupt in wohldosiert injiziertem amerikanischem Slang.

Und so spricht das mit Fingerspitzengefühl in die Anregungen dieser Hot Springs gezogene Publikum mit Grandezza und zunehmendem Genuss aus, was ihm in deutscher Formulierung wohl nicht so leicht über die Lippen käme: Es liest dreißig Chats von eindeutigem Inhalt nach, Social-Media-Sex mit intellektuellem Anstrich und etlichen Anspielungen auf die Beziehung zwischen Erotik und Künstlerleben.

Glückliche Falle

Glücklicherweise ist das eine Falle, die möglicherweise von den Besuchern durchschaut, jedenfalls aber unterstützt wird. In unserer Mitmachgesellschaft wagt man etwas und passt sich, wie man’s vom Internet her gewöhnt ist, gerne den Spielemachern an. Das machen Fabre und Kasebacher ihren Gästen auch nicht schwer. Wer Vokabeln wie „horny“, „dick“ oder „clit“ versteht, gehört zum Klub. Und so spritzen Worte in den Raum, schwimmen die durch sie evozierten Bilder vorbei, rauschen dort oder da die Hormone ins Blut.

Möglich wird das nur, weil die Ironie von Fabre und Kasebacher in ihrer affirmativen – ihre kritische Note hinter positiven Formen verbergenden – Arbeit so diskret züngelt wie die Schlange im Garten Eden. Wer Hot Springs als Wellness-Kulturerlebnis genießen möchte, kann das tun, ohne von Fabre und Kasebacher ge- oder gar verstört zu werden. Wer genauer hinhört und der listigen Poetik folgt, vermeint, die Schlange im Blattwerk des Baumes der Erkenntnis rascheln und zischeln zu hören. Schon gar während der Schlusssequenz, wenn Performer zu Brunnen und dabei sehr nass werden. (Helmut Ploebst, 23.11.2019)