Letztes Wochenende bestritt Andreas damit noch einen Trial-Wettbewerb in Belgien, jetzt wechselt er die sechs Reifen an seinem Traxxas Mercedes-Benz G63 6x6, einem maßstabsgetreuen Nachbild des Offroaders im Verhältnis 1:10. In Groß bewirbt der Hersteller dieses Monster mit „The Declaration of Independence“ und verlangt schlappe 450.000 Euro Kaufpreis.

In Klein und aus der Schachtel heraus ist dieses Spielzeug für große Männer um 749 Euro zu haben. Es ist nur eines von über 15 Modellautos, die Andreas besitzt. Wie viel Geld er dafür schon ausgegeben hat? „Das weiß ich nicht“, lacht er. „Aber ein paar Tausender werden es schon sein.“

Andreas ist einer von 70 Mitgliedern der Modellbaugruppe 20.
Foto: Christian Fischer

Mit einem Miniatur-Kreuzschlüssel lockert er die Radmuttern und sortiert die „Performancereifen mit speziellen Einlagen und aggressivem Profil“ in eine Box. Die Luft ist ein bisschen raus an diesem kühlen Novembersamstag in Spillern bei Wien, wo die Modellbaugruppe 20 ihren 3.000 m2 großen Parcours betreibt. Andreas ist eines von etwa 70 Mitgliedern, die sich hier das ganze Jahr über treffen, wann immer es ihre Zeit und das Wetter erlauben. Dann lenken sie ihre Modelle über Steine und Felsen, Holz- und Seilkonstruktionen und manchmal auch einfach zu einer asphaltierten Modelltankstelle. Mit dem nahendem Winter aber kommt jetzt auch für Andreas wieder die Zeit des Bastelns, Justierens und Tüftelns in seinem Keller, und trotz seiner 32 Jahre freut er sich darauf wie ein Kind.

Schriftführer seines Vereins ist Stefan Menzel. Als 15-Jähriger wurde er von seinem besten Freund mit dem Modellbauvirus infiziert. Andere spielten Fußball, der HTL-Schüler baute lieber Schiffe. Im Unterricht kritzelte der angehende Techniker Skizzen auf Zettel und tauschte sie mit seinem Freund aus, daheim wurde geschnitten, gebogen, geklebt, gefeilt. Mit glänzenden Augen erinnert er sich an die Renovierung einer alten, verwahrlosten Motoryacht, die sein Opa einst gebaut hatte – aus einer Handvoll Holz und ein paar Messingteilen. Er holte sie mit einigem Aufwand „in die neue Zeit“. Den Moment, als er das Boot in einen Teich bei Ebreichsdorf setzte, empfand er als sehr beglückend.

Rasen ist fad, Basteln toll

Danach versuchte er sich an einem „Sumpfboot“, wie es in den Everglades in Florida unterwegs ist, mit großem Propeller hintendran. „Ist aber maßlos in die Hose gegangen!“, erzählt er. Er baute eine Rennyacht, die vollkommen übermotorisiert und viel zu schwer war – auch kein Volltreffer. Einem Segelboot verpasste er einen 1,60 Meter hohen Mast, das stille Boot zu steuern empfand er als entspannend. Ein Rennboot mit 80 cm Länge hingegen schickte er in die Ufermauer, es sank. Die Größten dieser Bootsklasse, sagt er, sind auch mal doppelt so lang und Offshore-Katamaranen nachgebaut, die mit 2000 PS über die Wasseroberfläche rasen. Aber rasen interessiert Stefan nicht, ihn interessiert das Basteln.

Foto: Christian Fischer

Nach den Booten widmete er sich ein paar Jahre lang Modellfliegern, „meistens aus Styropor, weil die einfach zu bauen und auch einfach zu reparieren waren“. Parallel zu den Fliegern fing er mit Modellautos an. Weil er Gemeinschaft schätzt, suchte er sich einen Klub mit Gleichgesinnten und fand einen in der Nähe seiner Wohnung. Aber das war ein Rennklub mit Flachbahnen, wo es den Mitgliedern wieder nur ums Rasen ging. Und hatte einer etwas an seinem Modell verbessert, wollte er sein Wissen keinesfalls mit anderen teilen. „Eigentlich“, erzählt er nachdenklich, „haben wir uns damals fast zerstritten.“

Darum schloss er sich einer Gruppe an, die sich in Richtung „Scale-Truck“ entwickelte, mit dem man Offroad-Rennen veranstaltet, bei denen es um technisch präzises Fahren geht. Wer sich gerne abseitigen Motorsport im Fernsehen anschaut, der sieht dort manchmal Pinzgauer oder Unimogs unglaublich langsam durch Schlamm und Dreck und über Stock und Stein fahren, zwischen Toren hindurch, auf Zeit und möglichst ohne Fehler. Das machen die Scale-Trailer in Stefans Modellbaugruppe auch, nur ohne übertriebenes Wettbewerbsdenken. „Wir sind nicht so ehrgeizig wie die Flachbahnler“, sagt Andreas. Es gibt in ihrem Klub keine Jahreswertung und kein Preisgeld, und sogar die Strecke auf ihrem Parcours haben sie so gebaut, dass dort niemand eine Rennklasse etablieren kann.

Das Prunkstück des Vereins: der gelbe Lkw samt Anhänger, der hydraulisch kippt.
Foto: Christian Fischer

Strenges Fahrreglement

Für die sechs Wettbewerbe, die der Klub dort pro Jahr veranstaltet, gelten trotzdem strenge Regeln: Wer sein umgekipptes Auto auf der Strecke anfasst, um es wieder auf die Räder zu stellen, bekommt ganze 50 Strafminuten aufgebrummt. Besser also, er versucht mit anderen im Team, sein Auto zu bergen – durch Anstoßen oder mithilfe einer am Scale-Model befestigten Seilwinde. Es sind solche Herausforderungen, die Andreas und Stefan begeistern. Ihre Modelle lenken sie dabei mit Pistolenfernsteuerungen, mit denen sie zwei Kanäle bedienen: einen fürs Lenken, einen fürs Gasgeben.

Das G63-Modell von Andreas hat bereits ein Zwei-Gang-Getriebe und eine Differenzialsperre, für die er weitere Kanäle benötigt. Andreas steuert seine Modelle so gut, dass er Teamfahrer eines Herstellers ist, der ihm die neuesten Modelle vorzeitig zur Verfügung stellt, plus die besten „Performancereifen“ dazu. Die wird er wieder montieren, sobald er in seinem Keller Feinjustierungen vornimmt, die es ihm nächstes Jahr ermöglichen, die Autos über Steigungen von 70 Grad zu lenken. „Dann aber“, lacht er, „fallen sie um.“

Lagerfeuer-Erzählungen

Sein Keller füllt sich mit Pokalen und Urkunden, und auch die sind Thema, wenn die Mitglieder abends vor dem Klubgebäude beisammensitzen und – wie am Lagerfeuer – über besondere Momente reden, die ihnen ihre Leidenschaft beschert: „Weißt du noch, wie ich dich damals mit der Seilwinde herausgeholt habe?“ Über Foren treffen sie sich zu Wanderungen mit Rucksack und Jause. Dann gehen sie mit ihren Fernsteuerungen hinter ihren Modellen her, denen sie im möglichst steilen Gelände möglichst alles abverlangen.

Ihr Parcours in Spillern wächst jährlich, jeder kann zur Verschönerung beitragen. Sogar ein Originalnachbau der Martinek-Kaserne in Wiener Neustadt steht hier, direkt vor der Grube mit den Panzern. Militärmodelle sind eine Unterabteilung des Modellbaus, zu der Stefan nicht so viel einfällt. Der 70-jährige Josef aber hatte bis vor kurzem das Modell eines alten Sherman-Panzers, erzählt er, bis irgendwann zu viel Öl in die Kupplung gekommen ist. Jetzt lenkt er einen Traxxas TRX4 mit zwei Achsen über das Gelände.

Josef hatte bis vor kurzem das Modell eines alten Sherman-Panzers.
Foto: Christian Fischer

Stefan führt zum Prunkstück des Modellbauvereins: einem gelben Lkw samt Anhänger, der hydraulisch kippt. Den maßstabsgetreuen Nachbau eines Sterling LT9513 Dump Truck haben er und der Onkel seiner Frau vor zwei Jahren für das Finale der TV-Sendung Die Modellbauer des deutschen Senders DMAX angefertigt. Sechs Monate hatten sie Zeit, 2000 Arbeitsstunden stecken drin, sie sind dafür an der Fräse, der Drehbank und dem 3D-Drucker gestanden. „Materialaufwand: 2500 Euro“, sagt er. „Alleine für das Interieur, den Fahrer am Sitz und die beleuchteten Armaturen brauchten wir 40 Stunden mit Pinseln, Stecknadeln, Pinzetten.“ Sogar die Hydraulik mit Zylinder und Pumpe bauten sie selbst.

Foto: Christian Fischer

Bis er kurz vor dem Abgabetermin in Dortmund fast die Nerven wegschmiss, weil die Elektronik gesponnen hat und er nicht wusste, warum. Er fand einfach keinen Fehler, und irgendwann sagte er zum Onkel seiner Frau: „Da hast, mach du!“ Am letzten Tag vor der Abreise musste er sogar noch einen Tag Urlaub nehmen, um das Problem zu lösen. Mit vereinten Kräften schafften sie es dann doch noch zum Finale, bei dem das andere Team dann gar nicht antrat.

Die Jury aber sagte, dass sie mit den zig Details an ihrem Modell ohnehin unschlagbar gewesen wären. Das sind dann die Momente, von denen sie den Kollegen vor dem Klubhaus sitzend noch lange erzählen werden. (23.11.2019)