Gut gefeilscht. Das gilt ganz besonders für die Arbeitgeber im Handel. Die rund 450.000 Beschäftigten bekommen ab Jänner im Schnitt um 2,35 Prozent mehr Geld. Die Gewerkschaft hat nach ihrem anfänglich großspurigen Auftritt ihre Erwartungen schnell zurückgeschraubt. Entsprechend durchwachsen fiel das Ergebnis nun aus.

Aus dem geforderten Gehaltsplus von 4,4 Prozent und drei zusätzlichen Freizeittagen im Jahr wurde bei den Einstiegsgehältern ein Plus von 2,5 Prozent, die besser bezahlten Mitarbeiter müssen sich mit 2,2 Prozent begnügen. Dass es als „Goodie“ im zehnten und fünfzehnten Dienstjahr im selben Betrieb einen zusätzlichen Freizeittag gibt, ist da ein schwacher Trost. Die Fluktuation in der Branche ist hoch, wenige werden davon profitieren. Insgesamt liegt der Abschluss deutlich unter jenem der Beschäftigten in der Metallindustrie: Ihre Entgelte stiegen zwischen 2,6 und 2,8 Prozent. Er ist auch kaum höher als jener der Beamten.

Viele im Handel beschäftigte Frauen verdienen wenig.
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Haben sich die Arbeitnehmervertreter über den Tisch ziehen lassen? Immerhin geht es der Branche nicht so schlecht. Im vergangenen Jahr stieg seit langem wieder einmal die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte. Laut Arbeiterkammer verbuchen 59 Prozent der Betriebe ein Umsatzplus, wobei es sich dabei eher um die Handelskonzerne handelt. Rund 565 Millionen Euro wurden an die Eigentümer abgeführt, deutlich mehr als im Jahr davor. Da sollte es doch mehr zu verteilen geben. Oder nicht?

Vertretbarer Kompromiss

Ja und nein. Von den insgesamt gut 79.000 Betrieben ist der weitaus größte Teil sehr klein, beschäftigt weniger als zehn Mitarbeiter. Dem florierenden Lebensmitteleinzelhandel stehen familiengeführte Modehändler gegenüber, die angesichts der Internetkonkurrenz um jeden Cent kämpfen. Spar, Rewe, Diskonter wie Decathlon oder Moderiesen wie H&M treffen auf den kleinen Adeg-Kaufmann im Dorf oder den Sportfachhändler mit einem Mitarbeiter in der Bezirkshauptstadt. Die schlucken schwer bei solchen Steigerungen.

So gesehen ist der Kompromiss für beide Seiten vertretbar. Nun mag man einwenden, dass der Abschluss besonders im Hinblick auf die vielen Frauen an den Kassen und Regalen eher dürftig ist. Denn ein Trend setzt sich seit Jahren fort: Der Handel ist ein Jobmotor, doch vor allem Teilzeit boomt. Im Einzelhandel liegt die Teilzeitquote mit 54 Prozent weit über dem Österreichschnitt von knapp 30 Prozent.

Ein ganz großes Problem wird damit nicht kleiner: Unter dem Strich verdienen viele wenig. Da hilft es auch nicht, dass man sich in Trippelschritten von der klassischen Niedriglohnbranche wegbewegt. 2015 lag das Mindestgehalt bei 1500 Euro, 2020 steigt es auf 1700 Euro. Ein schöner Erfolg. Bloß: Wer nur 30 Stunden arbeitet, kommt netto auf rund 1100 Euro. Das ist zum Leben zu wenig.

Doch eines ist klar: Die Probleme mit Lohnschere und Teilzeit mit Folgen wie Abhängigkeit und Altersarmut sind nicht von den Lohnverhandlern im Handel zu lösen. Das ist eine gesellschaftspolitische Frage, die ordentlicher Maßnahmen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedarf. Gefragt wären Kinderbetreuungsplätze ebenso wie ein Lohngesetz nach dem Vorbild Islands. Und Aufklärung.

Mädchen und Frauen: Werdet Konstrukteurinnen, Mechatronikerinnen, Werkzeugmacherinnen, Unternehmerinnen, sucht euch gutbezahlte Jobs oder werdet selbst zur Chefin. (Regina Bruckner, 22.11.2019)