Die Wahlniederlage in der Steiermark lässt die internen Debatten wiederaufleben. Pamela Rendi-Wagner gerät als SPÖ-Chefin unter Druck.

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Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser versandte noch am Sonntag einen eindringlichen Appell an den SPÖ-Vorstand und fordert eine Revolution in der Sozialdemokratie.

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Medienmanager Gerhard Zeiler rechnet mit der SPÖ ab und fordert einen Neubeginn. Das sei nicht als Bewerbungsschreiben für den Parteivorsitz zu verstehen, betont er.

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Wien/Graz – Bis auf den steirischen SPÖ-Chef und Spitzenkandidaten Michael Schickhofer, der unbeirrt an seiner Botschaft festhielt, Erster zu werden und damit den Landeshauptmannsessel beanspruchen zu wollen, hatte man in der SPÖ fix mit einer Wahlniederlage gerechnet und sich auf diese eingestellt: Ab Montag wird sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wieder mit einer Obfraudebatte konfrontiert sehen. Selbst wenn ihre parteiinternen Kritiker, und von denen gibt es einige, stillhalten sollten, geht man in der SPÖ davon aus, dass die mediale Aufarbeitung des steirischen Wahlergebnisses die Autorität Rendi-Wagners weiter untergräbt. Die Obfraudebatte war nur auf Eis gelegt, ist aber noch lange nicht beendet.

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DER STANDARD

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser verschickte noch am Sonntag einen flammenden Appell an Rendi-Wagner und führende Parteifunktionäre: "Die Sozialdemokratie braucht eine radikale Grundbesinnung", heißt es gleich zu Beginn. In dem internen Positionspapier, das dem STANDARD vorliegt, fordert Kaiser eine grundlegende Diskussion über den seiner Meinung nach desolaten Zustand der Partei. Zu viele säßen untätig und hilflos in einem roten Elfenbeinturm, "unfähig zu erkennen, dass der Turm ohne grundlegende Sanierungsarbeiten völlig einstürzen wird".

Anker des Vertrauens

Ihm gehe es nicht um eine personelle Diskussion, betont Kaiser, er beharrt auf einer ideologischen Diskussion darüber, wie die Sozialdemokratie für die Bevölkerung zu einem glaubwürdigen, attraktiven Anker des Vertrauens werden könne. Kaiser: "Damit sie erfolgreich ist und eine Befreiung der Menschen von den neoliberalen Fesseln bewirkt, müssen wir diese Revolution in den eigenen Reihen beginnen."

Der Kärntner Landeshauptmann fordert neue Inhalte, aber auch eine neue Sprache, die Partei müsse sich wieder verständlich machen können. Die SPÖ müsse sofort aus dem Schmollwinkerl heraus und unabhängig von der Regierungsbildung auf Bundesebene tätig werden. Innerhalb der Partei brauche es eine deutlich bessere Koordination und eine bessere Verzahnung zwischen der Bundespartei, dem Parlamentsklub und den Landesparteien. Kaiser spart nicht mit Kritik an der Kommunikationsabteilung der Parteizentrale: "Wenn Positionen, Maßnahmen, Forderungen unkoordiniert und nur mit dem Ziel, eine Schlagzeile zu produzieren, zur Überraschung der anderen Organe der SPÖ von der Parteizentrale über Medien transportiert werden, dann beraubt man die SPÖ ihrer eigentlich viel größeren Schlagkraft."

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ORF

Ganz prinzipiell funktioniere die Kommunikation der Partei nicht, weder nach innen noch nach außen. "Was es jedenfalls braucht, ist eine neue, eine bewusste inhaltliche Kommunikation. Was politische Mitbewerber seit Jahren und Jahrzehnten erfolgreich betreiben, haben wir nahezu vollständig verabsäumt, als unnotwendig belächelt und dadurch sträflich vernachlässigt: Ich rede von einem bewussten Sprachgebrauch, ich rede von 'Deutungsrahmen', ich rede von 'Framing'."

Zeilers Abrechnung

Zu Kaisers Aufbegehren gesellt sich noch einer, der in der SPÖ gerne mitredet und sich dazu auch befugt sieht: Ausgerechnet am Montag präsentiert Medienmanager Gerhard Zeiler sein neues Buch "Leidenschaftlich rot. Darum mehr Sozialdemokratie". Zeiler war einst Pressesprecher unter Fred Sinowatz und Franz Vranitzky, danach auch ORF-Generalintendant. Der 64-Jährige, der sich selbst schon mehrfach als SPÖ-Chef ins Spiel gebracht hat, rechnet darin mit seinen Parteifreunden heftig ab und spart nicht mit guten Ratschlägen, wie es denn besser gehen könnte. Auch wenn Zeiler bereut, 2016 nicht offensiver gegen den seiner Meinung nach allzu eitlen und wankelmütigen Christian Kern angetreten zu sein und um den Parteivorsitz gerittert zu haben, stellt er im Vorwort fest, nicht SPÖ-Chef werden zu wollen. Das Buch sei definitiv kein Bewerbungsschreiben.

Zeiler kritisiert insbesondere Kern heftig: "Hätte ich nur annähernd geahnt, aus welchem Persönlichkeitsholz Christian Kern geschnitzt ist, wäre ich im Mai 2016 in einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gegen ihn angetreten."

Starke Persönlichkeit

Der Manager, der derzeit von New York aus den globalen Vertrieb von Warner Media leitet, fordert einen Neuanfang der SPÖ, inhaltlich wie personell. Die SPÖ drohe zur Kleinpartei zu werden, es brauche ein neues politisches Programm und eine akzentuiertere Ausrichtung als Partei links der Mitte. Dennoch hält Zeiler vorsichtig an Rendi-Wagner fest, mit der dieser Neuanfang gelingen könne. Sie sei eine "sympathische, ehrliche Sozialdemokratin, der übertriebenes Ego fern" sei. Die SPÖ brauche jetzt eine starke Persönlichkeit an der Spitze. "Ich hoffe, Pamela Rendi-Wagner ist eine solche starke Persönlichkeit, die sich die Zügel des Neuanfangs nicht aus der Hand nehmen lässt", schreibt Zeiler. Zwischen den Zeilen schwingt aber jeder erdenkliche Zweifel mit. Und was Zeiler der jetzigen SPÖ-Chefin vorschlägt, ist weit von dem entfernt, was sie bisher selbst vorgeschlagen hat.

Das Zeiler-Buch dürfte den Kritikern in der SPÖ jedenfalls als Anlass dienen, die Neuaufstellung der Partei in Angriff zu nehmen – wobei Neuaufstellung mit der Ablöse Rendi-Wagners gleichzusetzen ist. Als mögliche Nachfolger gelten trotz Dementis Gerhard Zeiler sowie der Steirer Max Lercher. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer und nunmehrige Nationalratsabgeordnete hat in den vergangenen Monaten sehr konsequent an einem innerparteilichen Netzwerk gearbeitet, das als einigermaßen tragfähig gilt. (Walter Müller, Michael Völker, 24.11.2019)