Ein Skirennen in Dornbirn am 6. März 1938 wurde zum Aufmarsch.

Foto: Stadtarchiv Dornbirn

Dornbirn – Prinzipiell habe sich die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der NS-Thematik in Tourismusregionen verbessert, sagt der Klostertaler Historiker Christof Thöny. Es sei jedoch auch eine gewisse Ambivalenz vorhanden. Einerseits würde die wissenschaftliche Aufarbeitung akzeptiert, gegen eine breite Auseinandersetzung sei jedoch immer noch das Argument "schon wieder dieses Thema" zu hören.

"Sport war politisch und die politische Ausrichtung der Turn- und Skivereine war klar", sagte der Dornbirner Stadtarchivar Werner Matt beim 4. Vorarlberger Zeitgeschichtetages, der sich mit Skisport und Nationalsozialismus auseinandersetzte.

Illegale in Sportverbänden

Ein anschauliches Beispiel für Matts Aussage ist ein Foto aus dem Dornbirner Stadtarchiv. Sechs Tage vor dem Anschluss Österreichs wurde am 6. März 1938 das Skirennen des Turngaus auf dem Bödele zum Aufmarsch der Deutschnationalen. War doch, wie der Salzburger Historiker Andreas Praher erläuterte, der Dornbirner Fabrikant Skiverbandsfunktionär, Theodor Rhomberg, Landesleiter der illegalen NSDAP. Die Politik des ÖSV wurde durch deutschnationale Kräfte definiert, sagt Praher.

Nach der Machtübernahme "kam zum Zug, wer sich verdient gemacht hatte, illegales Parteimitglied gewesen war". So wurde beispielsweise die Skischule St. Anton von den SS-Männern Hans Aichinger und Hubert Salcher geleitet. Für die Nationalsozialisten wurde der Skisport zu einem wesentlichen Propagandamittel. "Sie konnten über den Skisport Wirkungsmacht entwickeln" (Praher). So wurden im ersten Kriegswinter in Tirol und Vorarlberg 128 Skirennen durchgeführt.

Widerstand in St. Anton

Nicht alle Tiroler und Vorarlberger Skiverbände waren mit der deutsch-nationalen Ausrichtung einverstanden. Sie wandten sich gegen den Arierparagrafen, der bereits 1923 im ÖSV eingeführt wurde. So trat der Skiclub Arlberg 1924 aus dem ÖSV aus und dem Allgäuer Skiverband bei. "Wir sollten uns nicht aus politischen Gesichtspunkten zwingen lassen, Mitglieder aus anderen als sportlichen Gründen abzulehnen", zitierte Jochen Unger, der die Geschichte der Verbände erforscht, den St. Antoner Skipionier Rudolf Gomperz.

Gomperz, ein jüdischer Ingenieur aus Wien, war Wegbereiter für den Skitourismus und das Skischulwesen am Arlberg. Zusammen mit Hannes Schneiders perfektionierte er die Fahrtechnik, organisierte erste Skikurse, auch für den Skiverein der jüdischen Hakoah. Gomperz wurde 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. Sein Freund Hannes Schneider, Skischulgründer und Darsteller in zahlreichen Berg- und Skifilmen, weigerte sich, den Arierparagrafen zu akzeptieren. Schon einem Tag nach dem Anschluss wurde er verhaftet, nach einem Monat wieder freigelassen und fortan schikaniert. Schneider wanderte 1939 in die Vereinigten Staaten aus und wurde dort erfolgreicher Entwickler von Skigebieten. Die nach ihm benannte "Foundation Friends of Hannes Schneider" ist Teil des Interregprojekts.

Schwierige Recherche

Einfach wird die Recherche der Geschichtsforschung nicht gemacht. Jochen Unger bemängelt fehlende Originaldokumente im Allgäu wie in Vorarlberg. Praher ortet "große Lücken im zeithistorischen Archiv des ÖSV". Anders als der Alpenverein sei der ÖSV bis dato noch nicht als Auftraggeber von kritischer zeithistorischer Forschung in Erscheinung getreten, kritisiert Christof Thöny.

Die Geschichte des Wintersports wird im Rahmen des Interregprojekts "Virtuelles Geschichtsforum" erforscht. Über eine Website will man Regionalgeschichte allgemein verständlich darstellen und vermitteln. (Jutta Berger, 25.11.2019)