König Karotte (Sung-Keun Park) stürzt Fridolin. Er verdankt seinen Aufstieg jedoch nur bösen Mächten und muss schließlich zurück ins Gemüsebeet.

Foto: Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Machtverfressenheit bedarf der Kon trolle oder einer vegetarischen Lektion, was Verantwortung bedeutet. Und da im Königreich Krokodyne ein Prinz namens Fridolin XXIV. an partyseliger Ausgestaltung seines Alltags überinteressiert ist und seinem darbenden Volk wohl raten würde, gefälligst mehr Kuchen zu essen, bedarf es hierfür höherer Zaubermächte. Es gilt, den obersten Verschwender zum Tugendregenten umzuformen. Dieser heiklen Übung unterzieht sich ein netter Geist namens Robin (nach anfänglichem intonatorischen Abenteuer respektabel: Amira Elmadfa), wobei er eine Koalition mit der Bösen eingeht. Hexe Kalebasse (effektvolle Travestienummer: Christian Graf) will den Tugendlosen ohnedies stürzen und waltet ihres Erweckungsamtes. Sie lässt den neuen Herrscher aus dem blaublütigen Gemüsegarten sprießen.

Putsch der Möhre

So putscht sich die Möhre in einem elegant-gruseligen Schwarz-Weiß-Bild zum König Karotte (sehr kurzweilig Sung-Keun Park), der ein noch ungezügelterer Freund des Vergnügens ist. Er changiert zwischen herrischem Ton und wehleidiger Brabbelsprache. Wie es ihm halt beliebt. Zum Zeitpunkt der Machtübernahme ist Fridolin (tolles Timbre Mirko Roschkowski) der Clubbingspaß längst vergangen. In der Inszenierung von Matthias Davids hat er mit exaltierten Tanzschritten vermuten lassen, zu viele Ace Ventura-Filme (mit Jim Carrey) konsumiert zu haben. Nachdem er auch Prinzessin Kunigunde damit betörte (erheiternd-kapriziös Julia Koci), ist Fridolin nun jedoch auf der Flucht. Immerhin Robin und der kampfsporterprobte Schwarzmagier (Yasushi Hirano) sind bei der Problemlösung hilfreich.

In der Volksoper dauert es nicht so lange bis zur glücklichen Machtrückergreifung wie bei der Uraufführung 1872. Diese soll gute sechs Stunden gedauert haben. Davids hat durch dankenswertes Eindampfen des Stückes so etwas wie eine durch gehende Märchengeschichte herausdestilliert. Ab der Hälfte zieht sie sich zwar etwas. Aber die Reise nach Pompeji (knapp vor dem Vulkanausbruch 79 n. Chr.) ist doch ganz nett gewesen wie auch der Trip ins Ameisenreich: Selbiges wirkte, als hätten sich Yediritter mit Laserschwertern in fleißige Sechsbeiner verwandelt.

Fridolin wird glücklich

All dies ergibt auch einige räumliche Kontraste (Bühnenbild: Mathias Fischer-Dieskau), was gar nicht anders möglich ist, wenn einem Besuch der Affeninsel konkrete Exkurse in Richtung Politsatire folgen. Es sind dabei nicht nur Wankelmütigkeit und die Farbe der Karotte, welche an den US-Präsidenten gemahnen, dessen Gesichtsfarbe sich ja nach Schminkvorgang gern telegen der Möhre annähert. Da sind auch ausreichend Anspielungen an eine Politik der Fake-News (auch von Boris, dem Briten). Zudem nuckeln saufende Burschenschaften herzhaft an orientalischen Shishas, während später die Postenbesetzung der Casinos Austria schmähend besungen wird. So wird die verrückte Story zu einem exaltierten Mix aus Politsatire und Revue geformt, zur Party schräg inszenierter Charaktere, an deren Ende Fridolin mit Rosée-du-Soir (Johanna Arrouas) glücklich wird und doch nicht mit Kunigunde.

Da wäre der Polizeichef als Genie des Opportunismus (Marco Di Sapia). Da wäre der Zauberer Quiribibi, der nur helfen will, so man ihn dem Ofenfeuer überantwortet, aus dem er als Zauberbengel herauskommt. Dem surrealen Wahnwitz steht eine kunstgewerblich tadellose Musik gegenüber, die das Orchester unter der Leitung von Guido Mancusi etwas überengagiert wirken lässt. Es fehlen da und dort Leichtigkeit und Poesie. Nur in melancholischen Momenten leuchten beide etwas auf. Aber das wird schon noch. (Ljubiša Tošić, 24.11.2019)