Bill McKibben, "Die taumelnde Welt. Wofür wir im 21. Jahrhundert kämpfen müssen". Aus dem Amerikanischen von Sigrid Schmid. 394 S. München, Blessing 2019.

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Bill McKibben verfasste 1989 The End of Nature, das erste Buch über die Klimakrise für ein breiteres Publikum. Die von ihm 2008 gegründete Klimaschutzbewegung 350.org setzt die Einsicht in die Tat um, dass Klimagerechtigkeit nur durch zivilgesellschaftliches Engagement und politischen Widerstand durchgesetzt werden kann. 350.org organisiert globale Klimademonstrationen und Besetzungen gegen Pipelineprojekte. Im Gefolge der 2012 gestarteten globalen Divestment-Kampagne beschäftigt sich McKibben heute intensiv mit der Frage, wie die Finanzierung der fossilen Industrie durch Finanzkonzerne und Großbanken mit zivilgesellschaft lichen Mitteln unterbrochen werden kann – einer der stärksten Hebel, um in der Klimakrise zu intervenieren.

In seinem neuen Buch Die taumelnde Welt. Wofür wir im 21. Jahrhundert kämpfen müssen vertritt er die Einschätzung, dass das "Spiel der Menschheit" derzeit ernsthaft aus der Balance gerate: Die globale industrielle Zivilisation könnte in den nächsten Jahrzehnten zusammenbrechen, da die Ressourcen schwinden und der Wohlstand zunehmend ungleich verteilt ist. McKibben sieht also (wie auch Papst Franziskus u. a.) die ökologische Krise und die soziale Gerechtigkeitskrise zusammen. Er entfaltet diese These anhand von zwei großen Themen: Klimawandel und Gefahren durch neue Technologien wie künst liche Intelligenz und Genom-Editierung durch CRISPR/Cas9. McKibben sieht sowohl die anthropogene Störung des globalen Klimasystems als auch den drohenden Zusammenschluss von Big Data und Big Biotech als unterschiedliche Ausprägungen des entfesselten Spätkapitalismus. Der Autor warnt davor, die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Klimakrise zu beschränken.

"Gewaltfreie Revolution"

Zu den aufschlussreichsten Teilen des Buches gehören jene, in denen McKibben auf den ideologischen Hintergrund eines großen Teils der Wirtschaftselite in den USA eingeht: auf die ultralibertäre Ideologie der rechten Schriftstellerin Ayn Rand. Diese kommt den ökonomischen Interessen der Fossilindustrie entgegen. Angesichts der systemischen Störungen der Demokratie, die durch den massiven Einfluss der Ölkonzerne (u. a. Koch Industries) auf die Politik bewirkt werden, zieht der Autor für die USA das Fazit: "Vielleicht ist die Macht des Geldes in der Politik inzwischen so groß, dass wir so etwas wie eine gewaltfreie Revolution brauchen."

McKibben changiert zwischen Endzeitstimmung und nüchternem Realismus des entschlossenen Handelns. Worauf der Autor setzt, sind die weltweiten zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Dabei geben ihm Ergebnisse der Forschung zum Umbau des weltweiten Energiesystems recht, z. B. die Studie Global Energy System based on 100 % Renewable Energy (2019), koordiniert von Christian Breyer (Lappeenranta University of Technology Finnland). (Ernst Fürlinger, 24.11.2019)