Um 16,99 statt um 169,99 Euro ist die „kleine Romanze“, ein hübsches, buntes Steinchenarmband für Damen, wohlfeil, auch Nützlicheres wie Haarstyler gibt es um 60 Prozent reduziert, den Dampfdruckkochtopf erstehen Interessierte um den halben Preis. Das Karussell dreht sich – und das schneller und schneller. Aus dem traditionell eintägigen Black Friday – in den USA der Freitag nach Thanksgiving – ist die Black-Friday-Woche geworden.

Onlineriese Amazon lockt schon mit allerlei Tand, aufgewärmt wird auch beim größten heimischen Onlinehändler Unito mit seinen Marken Otto, Universal und Quelle. Mediamarkt ist ebenfalls in der Warm-up-Phase und lässt sich nicht lumpen. Rabatte, Rabatte, Rabatte – Konsumentenherz, was begehrst du mehr? 50 Prozent, 60 Prozent, 70 Prozent Preisnachlass, die Erwartungen der Konsumenten sind verdammt hoch. Mit 25 Prozent lockt man heute niemand mehr so schnell hinter dem Ofen hervor, sagt Handelsforscher Anton Salesny von der Wirtschaftsuniversität Wien. Er sieht auch die Gefahr einer „Entwertung der Rabatte“.

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Black Friday und Cybermonday sind vor allem den Jungen ein Begriff.
Foto: REUTERS/Mark Makela

Vor 15 Jahren haben schon minus zehn Prozent auf eine Warengruppe für viele bedeutet: Nix wie hin. Nicht nur das hat sich geändert, die inszenierten Events werden mehr. Cyber-Monday, Singles’ Day, Women’s Day und wie sie alle heißen sollen Kunden animieren. Das tun sie, ist Salesny überzeugt: „Rabattierung funktioniert.“

Geliebte Rabatte

Und das quer durch alle Alters- und Bevölkerungsgruppen – frei nach dem Motto: Arme Menschen brauchen niedrige Preise, reiche lieben sie. Die Kunden schlagen zu, bequem muss das Einkaufen sein und das Angebot attraktiv. Reine Onlineriesen haben das perfektioniert: Amazon scheffelte am gehypten Cyber-Monday 2017 an nur einem Tag 5,5 Milliarden Euro, der chinesische Onlineriese Alibaba am Singles’ Day gut 21 Milliarden Euro. Auch für die Unito-Gruppe zählen die Shoppingtage Ende November traditionell zu den umsatzstärksten des Jahres. Die Dimensionen nehmen sich im Vergleich schmal aus. 400 Millionen erwirtschaftet der E-Commerce-Spezialist hierzulande – über das gesamte Jahr.

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Waren vor 15 Jahren 25 Prozent ein unwiderstehliches Angebot, übertrumpfen einander die Händler heute geradezu mit ihren Rabatten. 50, 60, 70 Prozent, damit lockt man auch Abgebrühte hinter dem Ofen hervor.
Foto: REUTERS/Phil Noble

Der stationäre Handel nimmt wohl oder übel den Ball auf. „Es kann eine Win-win-Situation für beide sein, aber auch ein Tanz auf dünnem Eis“, sagt Handelsforscher Salesny. Denn einerseits seien es oft vorgezogene Weihnachtskäufe, andererseits gibt der Händler gleich zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes unter Umständen hohen Rabatt. Die Marge schmilzt. Für kleinere Händler sicher schwieriger zu verdauen, sagt Salesny: „Der Gewinn ist hier rasch einmal gefährdet.“ Ein Lied davon können aber immer mehr Branchen singen. Denn sind Rabatte und Aktionen heute vor allem für den Lebensmitteleinzelhandel täglich Brot, erfasst die Aktionitis zunehmend andere Branchen – den Black Friday gibt es mittlerweile auch bei Airlines oder Reiseveranstaltern.

Der Kampf um die Kunden

Selbst Diskonter geraten in den Sog. Waren sie es, die durch den Erfolg ihrer Dauerniedrigpreise die Rabattmarkerlkultur bei der Konkurrenz erst befeuert haben, sind sie nun selbst unter Druck. Hofer etwa wirbt schon einmal mit seinem Black Thursday. Auch Einkaufsstraßen und Shoppingcenter inszenieren im Kampf um die Kunden gemeinsam mit diversen Handelsketten auf Teufel komm raus. Minus 20 Prozent Herbstsale bei den einen, nimm zwei und ein Drittes gratis bei den anderen: Im Wiener Stadioncenter wartet man den Black Friday gar nicht ab. Wer Schnäppchen sucht, findet sie, wie der Lokalaugenschein am Wochenende zeigt. Vor allem die modischen Branchen werfen jetzt schon vieles günstiger auf den Markt.

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Schnäppchenjäger auf der Lauer. So mancher Händler sperrt für die Kaufwütigen früh am Morgen auf.
Foto: AP/Charlie Riedel

Und wie geht sich das für den Handel aus? Modische Artikel haben etwa einen hohen Aufschlag – oft von 100 Prozent – weil man sie nur kurz zum Normalpreis verkaufen kann. Allerdings sitzen solche Händler oft an teuren Standorten. Dass solche Events für die Händler ein Geschäft sind, ist keineswegs ausgemacht. Doch klug aufgezogen können sie zu einer höheren Kundenbindung führen, sagt Handelsexperte Salesny. Im Stadioncenter beim Wiener Praterstadion finden sich diese Kunden zumindest eine Woche vor dem Black Friday nicht. „Interessiert mich nicht“, beteuert ein weißhaariger Herr, der einen Kaffee trinkt. „Ich kaufe das, was ich brauche“, sagt er. „Das ist ja ohnehin alles ein Schmäh.“ Aus Fernsehdokumentationen wisse er von allerlei Tricks, etwa dass an Rabatttagen Sonderanfertigungen oder von Kunden zurückgegebene Produkte verkauft würden.

Diesen Kunden hat der Handel offenbar schon verloren. Dabei hätte die Inszenierung über Rabatte für beide Seiten ihren Reiz. Der Handel könnte mehr Umsatz machen, der Kunde echte Schnäppchen. Aber: „Nur alte Ware aus den Lagern anzubieten reicht nicht“, sagt Salesny. Denn der Kunde ist heute mit allen Wassern gewaschen, hat sich im Vorhinein gut informiert. Dass die Prozente oft vom unverbindlichen Verkaufspreis (UVP) abgezogen werden, die kaum ein Händler verlangt, weiß er häufig schon.

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100 Millionen Euro wollen die heimischen Händler heuer am Black Friday lukrieren – an dem nicht jedes Schnäppchen, das die Händler anpreisen, ein solches ist.
Foto: Reuters

Salesny rät, ein attraktives Paket anzubieten, das es so nur bei ihm gibt. Für Onlineshopper sehen EU-Regeln künftig mehr Transparenz beim Preis vor. In Zukunft müssen Händler angeben, wie der Preis für ein Produkt etwa vor 30 Tagen ausgesehen hat.

Eigenwillige Kunden

Das Vertrauen der Kunden ist schnell verloren. Das gilt allerdings ganz grundsätzlich. Sebastian Lechleitner, als typischer Vertreter der Millennials eine der Zielgruppen für Black Friday, lässt selbigen heuer ungenützt verstreichen. Im Vorjahr hat er sich für ein elektronisches Spielzeug interessiert, dass er bei Amazon entdeckte. „Ich wollte noch etwas überlegen. Beim nächsten Mal schauen war es teurer. Da habe ich es dann gar nicht mehr gekauft.“ Auch im Reformhaus im Stadioncenter spielt man bei der Rabattitis kommende Woche nicht mit. Dafür wird es eine Schokoladenverkostung geben. Dem Black Friday sieht die Verkäuferin aber gelassen entgegen: „Shoppingwahnsinn haben wir eh jeden Tag.“

In der oberösterreichischen Bezirkshauptstadt Eferding macht man da nicht mit. Zumindest gilt das für die innerstädtische Schmiedstraße. Am letzten Wochenende im November starten die Kaufleute hier seit Jahrzehnten mit dem Schmiedstraßenfest ihr eigenes Ding. Die Kaufleute in der Straße sind dabei, aber auch karitative Einrichtungen und die Pop-Up-Stores, die die leerstehenden Geschäfte bespielen. "Ein richtiges Remidemi", sagt Geschäftsfrau Barbara Wögerbauer. Geschäftlich zahle sich das immer aus: "Das ist wie bei Hänsel und Gretel, die von der Hexe gelockt werden." Durch Rabatte und Aktionen? Ankommen würde das bei den Besuchern schon, sagt Wögerbauer. Aber bei ihr hat es noch nie welche gegeben. (Regina Bruckner, 25.11.2019)