Ursula von der Leyens Kommissionsteam steht eine wichtige Woche bevor. Am Mittwoch soll das EU-Parlament abstimmen.

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Es braucht bis Mitte der Woche noch zwei entscheidende Rechtsakte, dann hätte es Ursula von der Leyen geschafft. Am Mittwoch wird das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) in Straßburg über das neue Team der Kommissionspräsidentin abstimmen. Bekommt das Kollegium aus 27 Kommissarinnen und Kommissaren (ohne Briten) eine absolute Mehrheit von 376 der 751 EU-Abgeordneten, kann die deutsche Exverteidigungsministerin wie geplant am 1. Dezember starten. Die Kommission Jean-Claude Juncker wäre Geschichte.

Im engsten Umfeld von der Leyens ging man am Wochenende davon aus, dass sich in Straßburg eine Mehrheit finden wird, wenn diese vielleicht auch nicht sehr breit ausfallen wird. Sie selbst war – von den Staats- und Regierungschefs gegen den Willen der Parlamentarier nominiert und entsprechend umstritten – bereits Mitte Juli direkt gewählt worden. Mit 383 Ja-Stimmen war es damals schon sehr knapp.

Kommission ohne Briten

Dementsprechend steinig war danach der Prozess der Auswahl der Kandidaten durch die nationalen Regierungen samt den Anhörungen auf Eignung in den Parlamentsausschüssen. Zwei Kandidatinnen und ein Kandidat aus Frankreich, Rumänien und Ungarn fielen durch. Aber: Seit einer Woche steht fest, dass alle 26 von von der Leyen zuletzt Nominierten die parlamentarischen Tests bestanden hatten.

EP-Präsident David Sassoli, ein Sozialdemokrat, erklärte am Freitag, dass der Abstimmung nichts mehr im Wege stehe. Da Großbritannien trotz mehrfacher Aufforderung der Nominierung eines Kandidaten nicht nachgekommen sei, wäre es aus Sicht des Parlaments in Ordnung, wenn die neue Kommission mit insgesamt nur 27 Mitgliedern starte statt mit 28 wie in den EU-Verträgen vorgesehen.

Genau das war – Stand Sonntagabend – die letzte juristische Hürde, die der Wahl des Von-der-Leyen-Teams formell noch im Weg stand. Und das hat viel mit dem Brexit, mit den für 12. Dezember angesetzten Neuwahlen im Königreich und dem erst im Oktober neu vereinbarten EU-Austrittstermin am 31. Jänner 2020 zu tun.

Regierungen einig

Laut EU-Verträgen stellt jedes EU-Mitglied einen Kommissar, außer die Staats- und Regierungschefs bzw. die Regierungen der EU-Mitglieder beschließen eine Verkleinerung der Zahl der Kommissare. So ist seit 2009 im Lissabon-Vertrag eine Reduktion um ein Drittel vorgesehen, was bisher aber nie realisiert wurde, nicht zuletzt wegen der dafür nötigen Einstimmigkeit im Rat.

Die Chefjuristen der Kommission haben nach der Weigerung von Premier Boris Johnson, einen Kandidaten zu nennen, zu einem juristischen „Trick“ gegriffen, um eine Blockade zu umgehen. Nachdem von der Leyen London zwei Mal per Brief vergeblich aufgefordert hatte zu nominieren, leitete die Kommission ein formelles Vertragsverletzungsverfahren ein.

Johnson reagierte trotz der Fristsetzung bis Freitag, 22. November nicht darauf, was nun juristisch als grobe Pflichtverletzung eines Mitgliedslandes – als versuchte Obstruktion – gewertet wird. Daraus wird das Recht der EU-27 abgeleitet, dass das Kommissarskollegium auch mit nur 27 Mitgliedern – ohne Briten – rechtlich einwandfrei ins Amt gesetzt wird.

Genau das muss der EU-Ministerrat aber noch formal beschließen. Bei einer Sitzung des Entwicklungsministerrates am Montag wird das mit großer Wahrscheinlichkeit geschehen. Dann ist der Weg zur Abstimmung im EP-Plenum in Straßburg geebnet.

Von der Leyen wird danach am Sonntag in einem offiziellen Akt mit Sassoli und dem neuen EU-Ratspräsidenten Charles Michel, der Donald Tusk folgt, beginnen. Sie wird wohl sofort die Umsetzung des Brexits angehen müssen. Umfragen in Großbritannien zeigen, dass die Konservativen eine bequeme Mehrheit erreichen könnten, um im Unterhaus den von Johnson mit den EU-27 ausgehandelten Brexit-Vertrag zu beschließen. Großbritannien sollte also bis 31. Jänner 2020 austreten und braucht danach keinen EU-Kommissar mehr. Es blieben von der Leyen nur wenige Wochen, das mit London zu realisieren – und daher kaum Weihnachtsferien. (Thomas Mayer, 25.11.2019)