Mario Matt mit einem Vollblutaraber.

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Die zweiten Olympischen Spiele bescheren Mario Matt das ihm durchaus zustehende Gold im Slalom – er hält Favorit Marcel Hirscher in Sotschi um 28 Hundertstel auf Distanz.

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Matt mit einem Rhodesian Ridgeback.

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Kena (vier) und Spades (sieben), sie gut 40, er fast 50 Kilogramm schwer, stimmen perfekt auf ihren Herrn ein. Breit hingestreckt ruhen die beiden Rhodesian Ridgeback vor der Sitzecke, in der Mario Matt (40) lehnt. Satte Zufriedenheit strahlen die Hunde aus, große Gelassenheit vermittelt der Slalom-Olympiasieger von 2014, der mit seinem Namen, aber auch Lebensstil fast so überzeugend für Hundenahrung werben kann wie Kena und Spades, die an diesem Spätherbsttag in Wien Extraportionen von "Nutro Feed Clean" bekommen haben.

Der leicht sperrige Aussendungstext, mit dem sich Matt zitieren lässt – "Die Gesundheit meines Hundes ist mir wichtig. Deswegen habe ich meinen Hund auf Clean Feeding umgestellt und füttere Nutro, die neue Marke für Hunde und Katzen, nur im Fachhandel erhältlich." –, vermittelt schwerlich die Authentizität des Tirolers, der im Unterschied zu ebenso prominenten, aber auch zu wesentlich weniger erfolgreichen Kollegen werblich noch nicht großartig aufgefallen ist.

Schicksal Kitzbühel

Eine Rampensau war der "Adler aus Flirsch" am Arlberg nie. Aber er war über längere Zeit präsenter als viele andere österreichische Skisport-Heroen. 1999, mit 20, debütierte Matt im Weltcup. 2015 schwang er ab, nach unter anderem 197 Weltcuprennen, darunter 147 im Slalom, von denen er 14 gewann. Einmal hatte er sich zum Sieg kombiniert.

Gleich seinen dritten Weltcupslalom hat Matt gewonnen, der von Vater Hubert sehr früh auf Ski gestellt und zum Flirscher Babylift gebracht worden war. Ausgerechnet auf dem Ganslern zu Kitzbühel, mit Nummer 47, ein Rekord. Der aus österreichischer Sicht perfekte Abschluss der fast perfekten Hahnenkammrennen 2000 – Hermann Maier hatte den Super-G, Fritz Strobl die Abfahrt gewonnen (Norwegens Kjetil André Aamodt allerdings die Kombination) – verhieß großes ÖSV-Kino für lange Zeit, zumal im Jahr davor Benjamin Raich zu siegen begonnen hatte. Der Rookie Matt gab den neuen Stil quasi auf Kurzski (1,76 m bei 1,90 m Körpergröße) fast noch idealer, und er war ein "Scheißmichnix", ein Mann, der am Start Eiswürfel spucke, wie ihn Trainer Gert Ehn charakterisierte. Fast folgerichtig war bei der WM 2001 daheim in St. Anton Slalomgold vor Raich (nach Kombi-Silber hinter Aamodt).

Absturz nach Höhenflug

Dem jähen Höhenflug folgte der jähe Absturz. Vor dem Kitz-Slalom 2002 riss sich Matt bei einem Sturz während des Einfahrens sämtliche Bänder in der Schulter, im ersten Durchgang kam noch eine Luxation dazu. Es folgten zwei Operationen innerhalb von sechs Monaten und ein Comeback mit Startnummern jenseits der 40. Erst mehr als drei Jahre später fand Mario Matt wieder auf das Siegespodest zurück.

Neuerliches WM-Gold 2007 in Aare krönte quasi das Comeback, den Spezialweltcup verlor Matt in dieser Saison um fünf Punkte an Raich. Er sollte ihn nie gewinnen, auch weil es in den Saisonen danach eher bergab denn bergauf ging. Extreme Probleme mit dem Material warfen ihn gar aus dem Nationalkader. Völlige Konzentration auf den Slalom half, Matt verwarf Rücktrittsgedanken und wurde für seine Hartnäckigkeit noch reich belohnt. Am 15. Dezember 2013 gewann er in Val d’Isère den Slalom – mit fast 35 Jahren, auch ein Rekord. Im folgenden Februar zeitigte die zweite Olympiateilnahme Matts größten Triumph – Gold im Slalom von Sotschi vor Marcel Hirscher. Matt war der bis dahin älteste alpine Olympionike (vier Jahre später holte sich allerdings der Schwede André Myhrer im Slalom diesen Rekord).

Stolz und Distanz

In den beiden Saisonen danach klang Matts Karriere ohne große Höhepunkte aus. Im ersten Durchgang der WM 2015 in Vail stieg er, gehandicapt durch eine Knöchelblessur, aus und beendete damit diesen Lebensabschnitt.

Geblieben ist durchaus Stolz auf das Erreichte, "man schüttelt das ja nicht so aus dem Ärmel, es hat mich in gewisser Weise überrascht", aber auch eine gewisse Distanz zur Szene. Sie wäre größer, hätte Mario Matt nicht im Winter zusammen mit seiner Frau Andrea alle Hände voll im Krazy Kanguruh zu tun, einer ziemlich legendären, seit 1965 in St. Anton etablierten Après-Ski-Bar, die er 2009 erwarb. Und schließlich ist da noch Michael Matt (26), der jüngste der drei Matt-Brüder, der in Marios Spuren carvt, auch schon einmal im Weltcup gewann, je zwei WM- und Olympia-Medaillen holte, den Weg zum absoluten Siegläufer im Slalom aber noch sucht. Der Älteste ist gerne behilflich – beim Finden des besten Materials und mit Ratschlägen aus dem gewaltigen Erfahrungsfundus. Mario Matt ist seiner ehemaligen Profession damit zwangsläufig recht nahe, aber "wäre mein Bruder nicht dabei, wäre ich nicht so präsent".

Hippophilie

Das liegt an der Familie, die seit zwei Jahren um Tochter Aurelia erweitert ist ("Das Kind ändert im Leben sehr viel"), und an Mario Matts schon Jahrzehnte währender Leidenschaft für Pferde, die sich seit 2002 auf Vollblutaraber fokussiert. Damals bekam der vom Großvater geprägte Hippophile seine erste einschlägige Stute in den Stall. Aktuell umfasst die Zucht 25 Rösser, der Chef hat zwei Vollzeitangestellte und begrüßt pro Jahr fünf bis sechs begehrte Fohlen. Mario Matt schätzt an den Vollblutarabern, dass sie "sehr menschenbezogen" sind, Erbe ihrer Herkunft als Begleiter von Beduinen. Die Tiere seien sensibel, erfordern einen feinen Umgang. Mario Matt ist unermüdlicher Fürsprecher einer wachsenden Szene, im Verband der Vollblutaraberzüchter gibt er einen Vizepräsidenten, während der Saison ist er mit Pferden auch auf Turnieren unterwegs und reitet in Westernkonkurrenzen.

Neben Tochter Aurelia, die schon ein Pony bekommen hat, ist auch Bruder Michael aufgesessen. Bruder Andreas Matt (37), 2009 Weltmeister im Skicross, gebietet dagegen über 40 Hochlandrinder.

Kena und Spades, die Rhodesian Ridgeback, können sicher auch mit ihnen. Ohne Mario Matt, den sie in den Stall und auf den Berg begleiten, können sie nicht. Weshalb sie und er auch immer wieder mit Blicken ihren gelassenen Herrn in der Sitzecke suchen – so satt und zufrieden können sie gar nicht sein. (Sigi Lützow, 25.11.2019)