Die SPÖ und ihr Spitzenkandidat Michael Schickhofer schafften bei der Landtagswahl keine Kehrtwende für die Sozialdemokratie.

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Entscheidend für die Mandatsverteilung im 48 Sitze zählenden steirischen Landtag ist traditionell der Wahlkreis eins, mit den Bezirken Graz und Graz-Umgebung. Hier konnte die KPÖ wiederholt ein Grundmandat erringen, diesmal hatten auch die Neos gehofft. Für die Grünen, die schon seit Jahren wie auch die KPÖ in der Stadtregierung sitzen, ist die Landeshauptstadt ohnehin ein Heimspiel.

Die Wahlerfolge von Grünen, KPÖ und jetzt auch den Neos gingen in Summe auf Kosten der SPÖ, die auf Grazer Gemeindeebene bereits zur Bedeutungslosigkeit abgesunken ist und so schwach ist, dass sie trotz Proporzverfassung nicht mehr in der Stadtregierung vertreten ist.

Nach der Auszählung der Grazer Ergebnisse war klar: Sowohl KPÖ als auch Neos werden den Einzug in den Landtag schaffen, da sie die dafür notwendigen Grundmandate erreicht hatten und kräftig zulegten. Die Neos werden mit zwei Mandaten, die KPÖ sogar mit einem mehr, mit drei Mandaten einziehen. Die Grünen können ihren Mandatsstand, angeschoben durch das gute Ergebnis, in Graz auf sechs Mandate verdoppeln.

Graz ein rotes Waterloo

Das Ergebnis des Bezirkes Graz-Umgebung als wichtiger Teil des Wahlkreises eins ist beispielhaft: Hier verloren die Sozialdemokraten gleich 8,6 Prozent, die FPÖ sogar 9,4 Prozent. Die ÖVP wiederum schaffte ein Plus von 9,4 Prozent, noch deutlicher die Ergebnisse in der Landeshauptstadt selbst. Für die SPÖ als ehemals Erste ein Waterloo: Sie stürzte von 28 auf 15 Prozent ab, die ÖVP stieg von 23 auf 25 Prozent, dicht gefolgt von den Grünen die sich von 13 Prozent auf 24 Prozent fast verdoppelten.

In der Obersteiermark lassen sich Korrelationen zwischen dem Wahlverhalten und dem Niedergang der Industrie sowie krisenhaften Entwicklungen der Wirtschaft deutlich nachvollziehen. Die ehemals sozialdemokratisch dominierten Industriehochburgen der Mur-Mürz-Furche mutierten in Folge zunehmend zu auch blauen Hochburgen.

Eine Stimme für die ÖVP war in vielen Familien und Betrieben undenkbar, bis dann bei den Nationalratswahlen im September 2019 die ehemals sozialdemokratisch, später freiheitlichen Zentren plötzlich türkis eingefärbt waren. 33 Prozent erreichte ÖVP-Kandidat Sebastian Kurz beispielsweise im Bezirk Leoben.

Bei den Landtagswahlen 2015 rangierte im Bezirk Leoben die ÖVP mit 19 Prozent nur auf Rang drei, nach der FPÖ mit rund 24 und den Sozialdemokraten mit 43 Prozent. Die Roten legten auf 38 Prozent ab, die Türkisen erhöhten von 19 auf 27, vier Prozent.

Wie in Leoben konnte die SPÖ zwar ihr desaströses Ergebnis der Nationalratswahl etwas verbessern, dennoch haben sich die Türkisen jetzt auch bei der Landtagswahl im roten Revier fix verankert. Das wird auch bei so ziemlich allen Detailergebnissen deutlich: In der Mur-Mürz-Furche, in der alten Industrieregion Mürzzuschlag, erhöhte die ÖVP ihren Anteil um zehn Prozent, die SPÖ verlor vier Prozent.

In der Summe hat die ÖVP im Wahlkreis vier, der Obersteiermark, fast neun Prozent zugelegt und die Sozialdemokraten sogar überholt. Die Volkspartei rangiert jetzt bei mehr als 33,2 Prozent, während die alte Hausherrin SPÖ bei 32,7 Prozent zu stehen kam. Bei einem Minus von 4,2 Prozent.

Auch die FPÖ brach großflächig und stark ein – mit minus 9,3 auf 17 Prozent. Reüssiert haben auch hier die Grünen, die KPÖ und die Neos, die allesamt dazugewannen.

Richtungsdebatte in der SPÖ

Dieses obersteirische SPÖ-Desaster im ehemaligen Kerngebiet der Obersteirer werde die Richtungsdebatte in der SPÖ verschärfen, sagt Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit dem STANDARD. "Für Parteichef Michael Schickhofer wird es schwierig werden, jetzt zur Tagesordnung überzugehen. Man darf das Symbolhafte des Ergebnisses nicht übersehen. Da verliert die SPÖ in ihren Kerngebieten an die früher belächelte ÖVP. Das ist für Sozialdemokraten schon sehr heftig. Und dazu verliert die SPÖ in Graz noch an die KPÖ, Grünen und die Neos. Wenn du eben beliebig bist wie die SPÖ, rinnst du in alle Richtungen aus." (Walter Müller, Thomas Neuhold, 25.11.2019)