Die Übernahme soll Mitte kommenden Jahres abgeschlossen werden.

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Paris – In der Eingangsszene des Films "Frühstück bei Tiffany" kann Audrey Hepburn die Diamanten im Schaufenster des New Yorker Schmuckherstellers nur mit den Augen verschlingen – zur Kompensation genehmigt sie sich ein Croissant. Bernard Arnault, der zweitreichste Mensch der Welt (hinter Amazon-Gründer Jeff Bezos), leistet sich nun nicht nur einen Verlobungsring des legendären Hauses, sondern gleich den ganzen Laden. Genauer gesagt alle 320 Boutiquen, in denen Tiffany seine glitzernden Schmuckstücke exklusiv verkauft.

Der Kaufpreis beträgt 16,2 Milliarden Dollar, wie Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) am Montag bekanntgegeben hat. Das ist selbst für den Luxusriesen mit 75 Marken ein absoluter Rekord. In seiner Sammlung figurieren bereits klingende Namen wie Louis Vuitton (Lederwaren), Dior (Mode), Hennessy (Cognac), Moët & Chandon (Champagner) sowie Kosmetika, Parfums, Uhren und Schmuck. Dank Tiffanys Umsatz von 4,2 Milliarden Dollar wird LVMH seinen eigenen Umsatz von heute 46,7 Milliarden Euro auf über 50 Milliarden steigern.

Geld nicht das Problem

Dank einer über 20-prozentigen Betriebsmarge stemmt Arnault den Kaufpreis mit links. Das Problem war weniger das Geld als eine gewisse Zurückhaltung auf US-Seite: Für das 1837 von Charles Lewis Tiffany gegründete und auf Diamanten spezialisierte Etablissement war es ein großer, ja existenzieller Schritt, in einem zumal französischen Markenkonglomerat aufzugehen. Doch Tiffany & Co hat Mühe, mit seinen türkisblauen Geschenkschachteln, der berühmten "Blue Box", bei einem jüngeren Publikum anzukommen. Und auch bei den chinesischen Touristen: Sie bleiben in dem – gleich neben dem Trump-Tower liegenden – Hauptgeschäft an der Fifth Avenue in New York zunehmend aus.

Nachdem Arnault seine Kaufabsicht schon Ende Oktober eingestanden hatte, erhöhte er sein Angebot zuletzt noch einmal um gut zwei Milliarden Dollar von 120 auf 135 Dollar pro Tiffany-Aktie. Die Aktionäre des US-Juweliers müssen dem Deal zwar noch zustimmen. Die vier beteiligten Beraterfirmen – Goldman Sachs und Centerview auf amerikanischer, Morgan Stanley und Citigroup auf französischer Seite – scheinen sich aber einig, dass der vorgeschlagene Kaufpreis die bisherigen Inhaber über Erwarten entlohnt.

Um jeden Preis

Denn von Beginn weg war klar: Arnault wollte Tiffany um jeden Preis. Mit seinen Schmuck- und Uhrenmarken Bulgari, Tag Heuer oder Hublot liegt er bisher noch hinter seinem Rivalen Richemond (Cartier, Van Cleef & Arpels). Und Arnault war noch nie gerne Nummer zwei.

Mit Tiffany etabliert sich der 70-jährige Franzose zudem im zentralen US-Luxusmarkt, der laut dem Beraterbüro Bain eine jährliche Zuwachsrate von sieben Prozent aufweist. Das bestätigt indirekt auch eine gemeinsame Erklärung von Käufer und Gekauftem: "Der Kauf von Tiffany wird die Stellung von LVMH im Bereich Schmuck stärken und seine Präsenz in den USA weiter ausbauen."

Abschluss kommendes Jahr

Die als "endgültig" bezeichnete Übernahme soll Mitte nächsten Jahrs unter Dach und Fach sein. In Paris, wo Arnault wegen seiner Milliarden und neureichen Allüren keine sehr gute Presse hat, betonen die PR-Berater, dass Tiffany im nicht immer lupenreinen Diamantengeschäft stets sehr verantwortungsvoll auftrete: Das Unternehmen sei bekannt dafür, an den afrikanischen Förderorten sowohl die Umweltstandards als auch die Menschenrechte einzuhalten.

Hilft das mit, den Kulturschock zwischen dem amerikanischen Traditionshaus und dem französischen Glamourkonzern zu vermindern? Immerhin trug Audrey Hepburn bereits vor dem Tiffany-Schaufenster eine französische Modemarke in Form eines Givenchy-Kleides. Und Givenchy gehört heute, wen wundert's, auch längst zu LVMH. (Stefan Brändle aus Paris, 25.11.2019)