Über die mittelfristige Zukunft von Alfa Romeo lässt sich angesichts des bevorstehenden Zusammengehens mit dem französischen Autokonzern PSA (Peugeot, Citroën, DS, Opel, Vauxhall) derzeit schlecht orakeln. Zur kurzfristigen hingegen hätten wir ein paar Meldungen parat. Giulia und Stelvio. Die Limousine und der SUV. Jene beiden Fahrzeuge der italienischen Feinschmeckermarke, die auf der eigens dafür geschaffenen Hinterradantriebsplattform stehen.

Aufrüstung: Alfa Romeo erneuert seine Giulia- und Stelvio-Modelle.
Foto: Alfa Romeo

Feinjustierungen

Die Giulia ist seit 2016 im Rennen, der Stelvio seit 2017. Ein vergleichsweise kurzer Zeitraum, der geradezu exemplarisch veranschaulicht, mit welch rasantem Tempo der Fortschritt die Autobranche erfasst hat. So lud Alfa dieser Tage nach Bari, um – nein, kein Facelift zu zeigen, dafür ist es noch zu früh, sondern um ein paar Feinjustierungen vorzustellen.

Es ging um Lenkrad und -ung, Infotainment und Assistenten, um Apulien, Bari, Schönheit, Via Appia, Trulli, Kaiser Friedrich II., Castel del Monte, Gianrico Carofiglio, und da uns bei der Aufzählung die Pferde durchzugehen drohen, sei das Themenfeld korrekterweise bis "Schönheit" eingeschränkt.

Neue Cockpitwelt im Stelvio: neues Multifunktionslenkrad, größerer Bildschirm – und vor allem endlich logische Bedienführung und gute Ablesbarkeit.
Foto: Alfa Romeo

Kontrast-Hypothese

Es gibt ja eine These, der zufolge die Griechen – die auch in Magna Graecia saßen, hier in Unteritalien also – ihr Schönheitsideal aus dem Kontrast heraus entwickelt hätten, sprich: weil die Leute gar so hässlich gewesen sein sollen.

Im FCA-Konzern wäre dann beispielsweise eine Alfa Giulia ein später Reflex auf Fiats Multipla. Denn fesch ist sie, die Julia, und soweit ein SUV dieses Attribut auf sich münzen kann, gilt das auch für das Stilfser Joch, den Stelvio. Fesch, wenn auch nicht umwerfend, und damit zu den eingangs erwähnten Feinjustierungen.

Beide Alfas rüsten nun auf Stufe 2 nach beim autonomen Fahren. Na bumm, was die können, sensationell, werden Sie süffisant einwerfen. Nicht spötteln, man kann nicht überall vorn mit dabei sein.

Neue aktive Assistenzsysteme

In Kooperation mit Bosch (aber nicht Hieronymus, weil es ja nicht surreal zugehen soll und ein Alfa Romeo kein Garten der Lüste ist) wurde jedenfalls dem Totwinkelassistenten und dem Spurhalter der bisherigen passiven (=Warnung) Funktion eine aktive (=Lenkeingriff) hinzugefügt, und der aktive Tempomat erkennt und übernimmt nun auch die gerade geltenden Tempolimits.

Neu hinzu kommen auch Stau- (0 bis 60 km/h) und Autobahnassistent (0 bis 145 km/h), und wo man bei anderen Herstellern die Hände zwölf, 15 Sekunden lang vom Volant nehmen kann, wies Alfa Bosch an, das in Giulia und Stelvio auf acht zu beschränken. Reicht zum italo-typischen Gestikulieren beim Reden, dann innehalten, Lenkrad schnappen, wieder loslassen, nächster Satz mit Mund und Hand und Fuß.

Volle Ladung LED-Licht gibt es übrigens zur jetzigen Aktualisierung nicht, das würde das Styling zu nachhaltig verändern, kommentierte Alfa.

Die neue Giulia lenkt sich jetzt so sauber und sportlich, wie man sich das schon 2016 gewünscht hätte.
Foto: Alfa Romeo

Was zum Anfassen

Es gibt aber auch Neuerungen zum Anfassen. So bekommen beide Alfas ein neues Multifunktionslenkrad, außerdem einen neuen 8,8-Zoll-Berührungsbildschirm, den man aber hauptsächlich über den ebenfalls neu gestalteten Dreh-Drück-Knopf hinter dem Schalthebel bedienen wird.

Dem Infotainment wurde eine komplett neue Bedienlogik hinterlegt, sodass man nach den ersten Testfahrten in Apulien festhalten kann: Endlich, endlich eine sinnvolle, einfache, Benutzerführung – und die Ablesbarkeit wurde ebenfalls enorm gesteigert.

Die Lenkung haben wir uns speziell in der Giulia genau angesehen. Bisher wirkte sie dort nervös, sogar recht eckig. Das wurde entschärft, ohne jedoch an der Direktheit viel zu ändern. Folglich lenkt sich der Alfa jetzt so sauber und sportlich, wie man sich das schon 2016 gewünscht hätte.

Drehen und drücken

Der Dreh-Drück-Knopf muss in all dem überhandnehmenden Trend, zur Bedienung nur mehr Touchscreens anzubieten, als löblich erwähnt werden, wenngleich die ergonomisch bessere Lösung eine Positionierung neben, nicht hinter (von vorn her betrachtet) dem Schalthebel wäre.

Auch der Stelvio ist immer noch, oder wieder, ein fesches Modell.
Foto: Alfa Romeo

Und wenn sie den Spurhalter aktiviert haben während der Fahrt, dann stellen sie den dringend auf schwach ein. In der scharfen Version meckert der Herr Assistent (oder ist es in der Giulia eine Assistentin?) schon los, wenn die Spurbegrenzung noch weit, weit weg ist und lenkt vehement gegen. Sogar einen Schattenwurf hatte er/sie einmal als Spurbegrenzung interpretiert. Da nimmt man entrüstet immer wieder einmal acht Sekunden lang die Hände vom Steuer.

Marktstart zum Jubiläum

Marktstart für die aufgerüsteten Alfas ist Anfang 2020, die Marke feiert da ihr 110-Jahres-Jubiläum. Und wen das interessiert: Weltweit setzten die traditionsreichen Italiener im Vorjahr 120.300 Fahrzeuge ab, elf Prozent mehr als 2017. In Österreich wurden heuer in den ersten zehn Monaten 1306 Alfa Romeos neu zugelassen – Rangliste: Stelvio (565) vor Giulietta (495) und Giulia (212).

Wie es weitergeht bei Alfa? Trotz der Kooperationsgespräche scheint modellpolitisch zumindest dies fix: Aus der im März am Genfer Salon gezeigten SUV-Studie Tonale wird 2021 ein Serienmodell etwa in Größe des Jeep Compass (4,39 m lang) – auf jener Plattform, auf der auch schon Jeep Renegade (4,24 m) und Fiat 500X (4,25) stehen, und apropos: So groß wie Renegade und 500X wird auch jener 2022 debütierende Alfa sein, auf den viele schon mit Hochspannung warten, den ersten Batterieelektrik-Alfa nämlich. Selbstverständlich ein: SUV. (Andreas Stockinger, 29.11.2019)