In dieser Woche soll es um den krausen Traum jedes Barbers gehen. Der Vollbart, er ist ü-ber-all. Im Mittagsprogramm der ARD wird über Bartshampoos, Sensitiv-Geräte und heiße Kompressen diskutiert, eine deutsche Drogeriemarktkette gibt Tipps, wie die "Mission Vollbart" gelingt, in den vergangenen Wochen geisterte der Rauschebart von Holger Friedrich, jenem selbstbewussten Neo-Eigentümer des Berliner Verlags, durch die Presse. Sein grau gesträhnter Bart erinnert an das Modell Friedrich Engels, anno 1880. Der einstige Hipster-Ausweis ist seit rund zehn Jahren präsent. Mittlerweile ist er im Mainstream angekommen – und beängstigenderweise nicht selten auf die Länge eines großväterlichen Rauschebartes angewachsen.

Gut für die Barbershops! Sie verzeichnen steigende Umsätze. Ein rundum gepflegter Mann braucht jetzt Bartwachs, Bartöl, Bartschneidegeräte oder Rasiersets, die buschigen Bärte wollen ja gebändigt werden. Das macht auch Sinn: Zuletzt hatte eine Schweizer Forschergruppe festgestellt, dass sich im männlichen Bart mehr Bakterien als im Hundefell tummeln.

Wer noch nicht wusste, wie ein Vollbart gebändigt wird: In der Sendung "ARD – Buffet" wird's ganz genau erklärt.
Bernd Heier

Doch es soll an dieser Stelle nicht um Fragen der Bart-Hygiene gehen. Sondern eher um die Beobachtung, dass Männer in Zeiten der Ganzkörperrasur ihre buschigen Bärte offenbar vor sich hertragen, um sich ihrer Männlichkeit zu vergewissern: Je länger, desto besser – das kennt man doch woher! Dabei sehen all die Möchtegern-Holzfäller und "echten Kerle" nicht nur auf Instagram ziemlich jämmerlich aus. Der bärtige Mann ist zum tausendfach reproduzierten Retorten-Phänomen, zum Abziehbild seiner selbst geworden.

Traum jedes Barbers: Ausrasierte Schläfen, dazu ein kinnverlängernder Vollbart.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Da hilft's auch nichts, dass oben herum die Rasierer summen: Der Undercut ist gerade der wohl beliebteste Gegenspieler des modellierten Rauschebarts. Die Millimeter-Schläfen vervollständigen das Bild, eine Rettung des bärtigen Buschs am Kinn sind sie mitnichten. (Anne Feldkamp, 28.11.2019)