Wenn freigestellte ÖBB-Betriebsräte unter dem Mäntelchen der Gewerkschaft gegen Mitbewerber wie die Westbahn vorgehen, dann fliegen die Hackln mitunter tief.

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Wien – So sicherheitskritisch wie von der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida dargestellt dürften bei weitem nicht alle Verstöße der Westbahn gegen eisenbahnrechtliche Bestimmungen sein. Das lässt sich aus dem Umstand schließen, dass das für Bahnbetriebe und fahrplangebundenes Personal zuständige (und gefürchtete) Verkehrsarbeitsinspektorat bis dato gegen die Westbahn keine Strafanzeigen erstattet hat, wie das Sozialministerium auf Anfrage des STANDARD mitteilt.

Dieser Umstand relativiert nicht nur Vorwürfe hinsichtlich defekter Sicherheits- und Brandschutztüren im Wageninneren, sondern auch jene, wonach Lokführer bei der Westbahn unerlaubterweise Zwölfstundendienste schieben mussten, obwohl laut Arbeitszeitgesetz nur zehn Stunden legal waren. Nicht erst seit der Reform des Arbeitszeitgesetzes im September 2018 seien im Bahnwesen Zwölfstundentage möglich, betont man im Fachverband Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer – auch in ÖBB-Personen- und -Güterverkehr sei das seit Jahren so. Anders als bei der überwiegend vom Steuerzahler finanzierten Staatsbahn wird die elfte und zwölfte Arbeitsstunde bei den Privatbahnen allerdings nicht fürstlich abgegolten.

Zwölfstundenschichten

Der von zwei in einem Arbeitsgerichtsprozess gegen die Westbahn befindlichen Lokführer via "Kurier" geäußerte Vorwurf gegen die Westbahn, Dienste von 4.03 bis 19.33 Uhr, also mit 15,5 Stunden Dienst im Führerstand, seien auf der Tagesordnung gestanden, lässt sich damit freilich nicht entkräften. Allerdings, hält man in der Wirtschaftskammer dagegen, kämen überlange Schichten im Zuge von Zugverspätungen immer wieder vor. Aber das sei nicht die Regel, sondern die Ausnahme und damit sicher kein Grund für den Einsatz der schärfsten Waffe im Bahnwesen, des Konzessionsentzugs.

Dem Vernehmen nach wurden Westbahn-Züge in den vergangenen Monaten auch von Arbeitsinspektoren geprüft. Grobe Verstöße bei Arbeitszeitaufzeichnungen oder defekte Brandschutz- und Sicherheitstüren im Wageninneren, die ein Ermittlungsverfahren nach sich zogen, wurden nach STANDARD-Informationen aber nicht aufgespürt. Die Sprecherin des Ministeriums, Veronika Maria, wollte zu aktuellen Prüfungsvorgängen oder Inspektionen unter Verweis auf die Amtsverschwiegenheit keine Auskunft erteilen.

Entlastung per Gesetz

Entlastendes für die Westbahn kommt auch von anderer Seite. Nach Aufforderung durch die Wirtschaftskammer haben die Arbeitszeitexperten des Sozialministeriums eine frühere Auslegung zur Arbeitszeit als Irrtum zurückgezogen (weil für Seilbahnen gültig, aber nicht für Schienenbahnen, Anm.) und durch eine neue ersetzt. Diese erlaubt Zwölfstundenschichten (mit Pausen, versteht sich) ohne extra Überstundenzuschlag.

Bleiben an Belastungsmaterial gegen die von Hans Peter Haselsteiner kontrollierte Westbahn vor allem angeblich gefälschte Zeugnisse für Triebfahrzeugführer. Dieser Vorwurf wiegt schwer und wird von der Staatsanwaltschaft geprüft, der ihrerseits bereits eine Sachverhaltsdarstellung der obersten Eisenbahnbehörde im Verkehrsministerium vorliegt. Die Westbahn betonte, dass man sich von den zuständigen Mitarbeitern sofort getrennt habe, nachdem die Vorwürfe im Sommer ruchbar wurden. Nun habe alles seine Richtigkeit.

Wo Vida draufsteht, sind sehr oft ÖBB-Betriebsräte drin. Denn die Verkehrsgewerkschaft wird von der früheren Eisenbahnergewerkschaft dominiert.
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Die von Gewerkschaftern betriebene Plattform mobifair.at, auf der fahrendes Personal anonym Missstände melden kann und von der die Vorwürfe laut "Kurier" aufgedeckt wurden, sehen übrigens nicht nur Bahnbetreiber kritisch – insbesondere weil einige der dort aktiven Gewerkschafter zugleich ÖBBler sind, die im Brotberuf als dienstfreigestellte ÖBB-Betriebsräte fungieren. Das verleihe der an sich positiven Einrichtung den Touch einer Denunziantenplattform, auf der Konkurrenten der Staatsbahn schlechtgemacht würden. "Würde jeder ÖBB-Waggon wegen einer defekten Schiebetür von der Schiene genommen, fielen täglich zahlreiche ÖBB-Züge aus", sagt ein Bahnmanager, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Vielsagend ist diesbezüglich die Forderung der Vida nach Ausbildungsstätten nach Vorbild des ÖBB-Bildungszentrums als Branchenstandard für Triebfahrzeugführer – um "vermeintlichen Praktiken wie im aktuellen Fall der Westbahn besser entgegenwirken" zu können. Erklärtes Ziel der Vida ist die Einrichtung einer Eisenbahnpolizei und der personellen Aufstockung des Ministeriums. (Luise Ungerboeck, 26.11.2019)