Blutdruck messen im Help-Mobil in Linz. Freiwillige Ärzte versorgen in den größeren Städten Österreichs Obdachlose kostenlos.

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Es wird kalt auf der Straße. Kein Dach über dem Kopf, keine Krankenversicherung – und das im Winter. Das geht auch auf die Gesundheit von Menschen, die draußen schlafen oder den ganzen Tag im Freien verbringen. "Verkühlung, grippale Infekte und Lungenentzündungen sind derzeit häufige Erkrankungen, mit denen Obdachlose das Help-Mobil in Linz aufsuchen", sagt Michaela Haunold von der Caritas Oberösterreich. Die mobile Arztpraxis hält Montag und Freitag auf dem Linzer Domplatz und vor der Martin-Luther-Kirche und bietet Obdachlosen und Menschen ohne Versicherung kostenlose medizinische Hilfe an.

Acht ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte und 32 Freiwillige engagieren sich im Help-Mobil. In Linz ist etwa ein Drittel der Patienten versichert. Viele trauen sich aus Scham nicht in die Praxis eines Hausarztes. Die Busstation sei ein sozialer Treffpunkt, wo es auch Tee sowie etwas zu essen gebe und man vorher langsam ins Gespräch komme, erklärt Haubold. "Manchmal braucht es ein Jahr, bis sich jemand untersuchen lässt."

In Salzburg war am ersten Adventsonntag vor fünf Jahren erstmals der Virgilbus unterwegs, um Menschen ohne Krankenversicherung und Obdachlose medizinisch zu versorgen. Nun will der Initiator und Internist Sebastian Huber eine Ambulanz eröffnen. "Mit dem Virgilbus können wir nicht alle erreichen, die diese Hilfe brauchen", sagt der zweite Landtagspräsident und Neos-Politiker. Er ordiniert mit rund 30 weiteren Ärzten regelmäßig Sonntagabend in dem Bus in Salzburg.

Mehr als 95 Prozent der Patienten des Virgilbusses sind nicht versichert. Österreichweit dürften Schätzungen zufolge rund 27.000 Menschen keine Versicherung haben. Die Dunkelziffer ist wohl höher. Immer wieder kommen aber auch Versicherte zum Virgilbus. In eine normale Arztpraxis gehen sie nicht wegen ihrer sozialen Situation, eines schlechten Zahnstatus oder weil sie sich körperlich oder psychisch nicht fähig dazu fühlen.

Ordination in Bahnhofsnähe

"Wir bräuchten eine Ordination, wie sie ein Allgemeinmediziner hat", sagt Sebastian Huber. Ein Warteraum, ein Behandlungsraum und ein Sprechzimmer – rund 100 Quadratmeter in Bahnhofsnähe wären ideal. "Dort hält sich die Klientel auf", sagt der Mediziner, der schon ein Objekt im Auge hat. Was noch fehlt für eine Virgilambulanz, ist die Finanzierung. Mit Stadt und Land ist Huber bereits in Gesprächen. "Funktionieren würde die Ambulanz nur mit angestellten Ärztinnen und Ärzten und einer Ordinationshilfe", sagt Huber. Auch die Apothekerkammer, die für den Virgilbus die Medikamente kostenlos bereitstellt, wäre wieder mit im Boot.

"Die aufsuchende, niederschwellige Betreuung mit dem Bus ist nur eine Akutbetreuung", betont der Internist. Patienten mit chronischen Erkrankungen wie etwa Diabetes, Hauterkrankungen oder offenen Wunden bräuchten aber eine durchgängige Behandlung. Eine Ambulanz könne auch präventiv tätig werden, Beratung und Aufklärung für die Patienten bieten, um etwa schwere Folgeerkrankungen zu vermeiden, betont Huber. Mit einer begleitenden Sozialbetreuung sollen Nichtversicherte auch wieder in das Sozialsystem integriert werden. Vorbild für die geplante niederschwellige Praxis ist die Marienambulanz in Graz.

Vor 20 Jahren wurde die Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung in Graz eröffnet. Ausschlaggebend waren die Flüchtlinge aus Bosnien, die keine reguläre Krankenversicherung hatten, sagt die Leiterin der Marienambulanz Eva Czermak. Auch heute sind unter den Menschen ohne Versicherung viele Bürger aus anderen EU-Ländern, die schon im Heimatland nicht registriert waren oder in Österreich immer schwarzgearbeitet haben. Auch Österreicher sind unter den nichtversicherten Patienten, etwa aufgrund von Schulden bei der SVA, Arbeiter, die nicht gemeldet wurden, oder Menschen, die nicht im System aufscheinen wollen.

Aber auch in der Marienambulanz ist etwa nur ein Drittel der rund 30 Patienten pro Tag nicht versichert.

Vorreiter der mobilen medizinischen Betreuung für Wohnungslose war vor 26 Jahren der Louisebus in Wien. An fünf Tagen in der Woche ist die Arztpraxis auf Rädern an fixen Plätzen in Wien anzutreffen und bietet ärztliche Erst- und Notversorgung. Rund 3.000 Patienten pro Jahr betreut der Loisebus.

Darüber hinaus gibt es in Wien auch drei Ambulanzen für Menschen ohne Versicherung. In der Amber-Med-Ambulanz in Liesing arbeiten 54 Ärztinnen und Ärzte ehrenamtlich. Obwohl sich die Zahl der Patienten in den letzten 15 Jahren verachtfacht hat, kürzte das Gesundheitsministerium die Förderung von 30.000 auf 10.000 Euro. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien werden ebenso unversicherte oder mittellose Personen medizinisch versorgt. Seit zwei Jahren können sich Wohnungslose auch an das Gesundheitszentrum des Wiener Neunerhauses wenden, wo Allgemeinmediziner und Zahnärzte Nichtversicherte betreuen.

In Innsbruck gibt es seit 2013 mit Medcar(e) auch einen Bus und Ambulanzräume. In Niederösterreich, dem Burgenland, Kärnten und Vorarlberg gibt es keine eigene medizinische Versorgung für Obdachlose und Menschen ohne Versicherung. (Stefanie Ruep, 28.11.2019)