Der österreichische Künstler Michael Kienzer setzt gerne auch auf eigenwillige und farbenreiche Interpretation des Skulpturenbegriffs.

Foto: Lena Kienzer

Was zunächst wirkt wie die Einladung zum Weiterkneten, entpuppt sich als in Aluminium gegossene Klumpenparade. Deren eine Hälfte hat Michael Kienzer wie alten Kaugummi an die Galeriewand gepickt. Die andere Hälfte ist am Boden arrangiert. Wenn der 1962 in Steyr geborene Künstler auf Grundwerkstoffe aus der klassischen Bildhauerei zurückgreift und – wie hier – Formen aus Tonziegeln modelliert, ist mit eigenwilliger Interpretation des Skulpturenbegriffs zu rechnen.

An dessen Erweiterung arbeitet Kienzer seit Jahren vor allem auch mit vorgefundenen (Industrie-)Materalien, die er in Beziehung zueinander setzt. Die Kräfteverhältnisse werden dabei mitunter ins Gegenteil verkehrt, Rohes und Schweres kann sich in ganz fragilen Seinszuständen wiederfinden. Oder in knäuelartig ineinander verwobenen Gebilden, die man bei Kienzer des Öfteren antrifft.

Wer wie Kienzer an gewohnten Wahrnehmungsmustern rüttelt, dem kommt auch das Mittel der Täuschung gerade recht. Ob es sich um Objets trouvés oder um deren Nachbildung handelt, erschließt sich manchmal erst auf den zweiten Blick – wobei die vermeintlich handelsüblichen Ytong-Steine, aus denen Kienzer den Turm Translation gebaut hat, sich mit ihrem edlen Glanz schon eher verdächtig machen.

"Metall, Kunststoff, Papier" von Michael Kienzer.
Foto: Lena Kienzer

Fragile Balance

Die Gegenwart ist aber auch zitronengelb, pistaziengrün und himbeerrot: In ungewohnt heiterer Farbigkeit kamen zuletzt schon Kienzers Flyer daher, aus bunten Blechpaneelen gebaute, von Magneten und Gewindestangen in fragiler Balance gehaltene Skulpturen, bei denen man nicht sicher sein konnte, ob sie beim leisesten Windhauch abheben oder umfallen würden. Kienzer hat sie inzwischen zu jenen mehrflügeligen Faltern weiterentwickelt, die in Innsbruck zu sehen sind. Sie erweisen sich als etwas standfester, haben dabei aber nichts von ihrem flatterhaften Charme eingebüßt. Man sollte sich aber gerade davor in Acht nehmen. Nach wie vor bestehen die Flügel, die einem da eine Ahnung von Poesie zufächeln, aus ziemlich scharfkantigen und verknitterten Blechpaneelen. Vielleicht nicht zufällig in Schattierungen von Türkisblau.

Die Lust daran, physikalische Gesetze außer Kraft zu setzen, neue Ordnungen zu schaffen und unterschiedlichste Materialien in Beziehung zu setzen, zeigt sich in der Schau in der Innsbrucker Galerie Thoman auch in Skulpturen wie Lose Dichte, in der Kienzer ein bewegliches Drahtgewinde antennenartig auf einem Eisenbahn-Stahlprofil balancieren lässt. Oder in reizvollen Collagen aus industriell vorgefertigten Materialien wie Eisenblechen, Gummi, Drahtgittern oder Glasplatten. (Ivona Jelčić, 26.11.2019)