Seit der Klimakonferenz im Vorjahr gab es weltweite Proteste von Jugendlichen, in der Klimapolitik hat sich unterdessen wenig getan.

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Hitzewellen werden die städtische Bevölkerung Europas plagen; küstennahe Gebiete überschwemmt sein; Grönlands Eisschild werde schmelzen, und hunderte Millionen Menschen werden aufgrund von Dürren und anderen Extremwetterereignissen auf der Flucht sein. Was nach dem Prolog eines Science-Fiction-Films klingt, wird nach Berechnungen der UN-Umweltorganisation Unep Ende des Jahrhunderts der Realität entsprechen. Vorausgesetzt, die internationale Staatengemeinschaft macht weiter wie bisher – und die globale Temperatur steigt weiter.

In ihrem jährlich erscheinenden Emission Gap Report errechnet die Unep die Lücke zwischen den Bekenntnissen des Pariser Klimaabkommens, das von mehr als 180 Ländern ratifiziert wurde, und den tatsächlichen Bemühungen der Staaten. Der heurige Bericht verdeutlich ein weiteres Mal, dass bisher viel zu wenig getan wurde, um den globalen Temperaturanstieg bei zwei – geschweige denn 1,5 – Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten einzudämmen. Mit derzeitigem Kurs dürfte die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um mehr als drei Grad steigen, schätzt die Unep. Die eingangs erwähnten Folgen der Erhitzung geben nur einen Bruchteil der Konsequenzen dessen wieder.

Tiefere Einschnitte

Weltweit hätten Staaten versagt, den wachsenden Treibhausgasausstoß einzudämmen, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Papier, das auch dem STANDARD vorliegt. „Das bedeutet, dass jetzt tiefere und schnellere Einschnitte notwendig sind.“

Konkret müsste der weltweite Treibhausgasausstoß noch heuer einen Höhepunkt erreichen. Ab 2020 müssten Emissionen pro Jahr um 2,7 Prozent sinken, damit das Zwei-Grad-Ziel Realität wird. Für das 1,5-Grad-Ziel wäre gar ein jährliches Minus von 7,6 Prozent über die nächsten zehn Jahre notwendig, schreiben die Autoren.

Zuletzt bewegte sich der Trend in die entgegengesetzte Richtung. Der Treibhausgasausstoß erreichte im Vorjahr erneut ein historisches Höchstniveau.

Das bisherige Wegschauen der Staats- und Regierungschefs hätte dazu geführt, dass die Anstrengungen nun „teurer, unwahrscheinlicher und unmöglicher“ werden. „Wir müssen für die Jahre aufholen, in denen wir Maßnahmen aufgeschoben haben“, so Unep-Chefin Inger Andersen.

Investitionsbedarf

Für die – aus Sicht der Unep – notwendigen Maßnahmen, werden Regierungen jedenfalls tief in die Tasche greifen müssen. Die Organisation beziffert die jährlichen Investitionskosten mit 1,6 bis 3,8 Billionen US-Dollar – je nachdem, wie schnell sie in Angriff genommen werden. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Russland bzw. Deutschland.

Um unumkehrbare Kipppunkte zu vermeiden, müsse jetzt kräftig auf die Bremse getreten werden, warnen die Autoren. Allen voran seien die G20-Staaten am Zug, die für beinahe 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Immerhin hätten 15 der 20 größten Volkswirtschaften keine Pläne vorgelegt, wie sie die Netto-Null erreichen wollen. Sieben davon hätten bisher nicht einmal Strategien zur Erreichung nationaler Klimavorgaben erstellt.

Nach Unep-Berechnungen müssten die Ambitionen auf nationaler Ebene zumindest verdreifacht werden, um das Pariser Mindestziel zu erreichen. Dieser Punkt wird auch auf der anstehenden Weltklimakonferenz Thema sein.

Geht es nach der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, soll zumindest die Union ihre Klimaschutzmaßnahmen deutlich nachschärfen. Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden, von der Leyen will außerdem die Klimaziele bis 2030 anheben. Diese Woche wird in Straßburg außerdem über einen EU-weiten Klimanotstand abgestimmt. Vertreter der Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Linken signalisierten am Montag beim Auftakt der Plenarwoche des EU-Parlaments in Straßburg grundsätzlich Unterstützung für einen entsprechenden Entschließungsantrag des französischen Liberalen Pascal Canfin. Über den Text soll nun am Donnerstag abgestimmt werden. (Nora Laufer 26.11.2019)