Inniger Brahms: Dirigent Christoph von Dohnányi.

Foto: Robert Newald

Wien modern beim vergangenheitsfixierten "Philharmonischen": Altmeister Christoph von Dohnányi eröffnete mit Ligetis Atmosphères. Auf die Klangflächenmalereien, deren Wirkungskraft schon Stanley Kubrick zu schätzen wusste, reagierte das Abonnementpublikum mit Hustenzuckerlknistern, Desinteresse und der Devise "Ohren zu und durch". So nahmen manche den Anfang von Wagners Lohengrin-Vorspiel nicht wahr, welches der Dirigent nahtlos auf den Klassiker der Moderne folgen ließ. Machte aber nichts, weil sich der aus überirdischen Sphären herabschwebende Beginn zu diesseitig, zu aktiv und auch zu unsauber ereignete. Ab dem Einsatz der Celli gerieten die Dinge dann in einen steten, schlackenfreien Fluss, der zu einem prachtvoll-noblen Höhepunkt führen sollte.

Rainer Honeck interpretiert Alban Berg

Mit Samthandschuhen interpretierte Rainer Honeck danach Alban Bergs "dem Andenken eines Engels" gewidmetes Violinkonzert, hochpräzise und mit einer stets ideal dosierten Intensität; sein feingliedriger Ton war mit einer sublimen Sinnlichkeit unterfüttert. Musils "Erdensekretariat der Genauigkeit und Seele" fände in dem Konzertmeister der Philharmoniker einen idealen Generalsekretär. Im Kopfsatz der dritten Symphonie von Brahms setzte Dohnányi dann mal joviale, mal bestimmte und mal delikate Akzente, je nach Bedarf.

Trotzdem quoll bei der gefühlt tausendsten Wiedergabe des Werks ein großes Warum aus dem Inneren manches Zuhörers. Die Antworten gaben die Folgesätze: Im Andante schuf der 90-jährige Dirigent einzigartige Momente des Innehaltens, im dritten Satz war der Beginn von einem Zauber, der kaum in Worte zu fassen ist. Mehrere Schnitzer beim Holz und bei den Bläsern trübten den Gesamteindruck jedoch wieder, speziell die Hörner hatten einen schlechten Tag. Gepflegter Applaus am Uraufführungsort für das Uraufführungsorchester dieses Werks sowie für den Dirigenten, dessen Großvater noch für Brahms musiziert hat. (Stefan Ender, 25.11.2019)