Wien – Dass Minou Aigner, Vorsitzende des Schöffengerichts im Verfahren gegen neun Angeklagte, kein Stammgast der heimischen Fußballplätze ist, zeigt sich bereits zu Beginn des zweiten Verhandlungstages. Michael Krammer, bis Montagabend Präsident des SK Rapid Wien, und Andreas Marek, (noch bis Februar) Stadionstimme der Grün-Weißen und des Nationalteams, stehen neben der Tür und fragen, ob sie Platz nehmen dürfen. "Wer sind Sie?", fragt Aigner verwundert. "Zeugen", antwortet Krammer, worauf ihm die Vorsitzende erklärt, dass sie vor dem Saal warten müssen, bis sie aufgerufen werden.

Die prominenten Zeugen sind nötig, da es bei dem Prozess um Amtsmissbrauch im Führerscheinwesen mehrere Bezüge zum SCR gibt. Die Hauptangeklagte Doris P. arbeitete von 2013 bis 2016 im Verkehrsamt der Wiener Polizei. Gleichzeitig war sie glühende Rapid-Anhängerin und kannte auch den Klubangestellten V., der aus gesundheitlichen Gründen nicht verhandlungsfähig ist.

Bis Montagabend Rapid-Präsident, am Dienstag als Zeuge vor dem Straflandesgericht: Unternehmer Michael Krammer.
Foto: APA / GEORG HOCHMUTH

Dieser Herr V. soll es eingefädelt haben, dass man bei Führerscheinproblemen den kurzen, aber illegalen Dienstweg via die Erstangeklagte beschreiten konnte. Sie, die dafür VIP-Karten bekam, soll unter anderem entzogene Führerscheine früher als vorgesehen zurückgegeben oder auch zusätzliche Fahrerlaubnisse erteilt haben.

Einer der Nutznießer davon war Herr P., ein bekannter Rapid-Fan – er durfte plötzlich ein Leichtmotorrad fahren, ohne die notwendigen sechs Praxisstunden in einer Fahrschule zu absolvieren. Er bekennt sich im Gegensatz zu Frau P. allerdings der Bestimmung zum Amtsmissbrauch nicht schuldig. Denn: Rapid-Mitarbeiter V. habe ihm das Angebot gemacht, die Zusatzerlaubnis einfach so zu bekommen, da er jemanden in einer Fahrschule kenne.

Führungsriege soll Angebot gehört haben

Dass das "a bissl a Linke" gewesen sei, sei ihm schon klar gewesen, er habe allerdings gedacht, maximal ein Urkundendelikt zu begehen, sagt der mehrfach Vorbestrafte. Zum Beweis der Richtigkeit seiner Aussagen bringt er die damalige Führungsriege des Klubs, neben Krammer und Marek auch noch Geschäftsführer Christoph Peschek, ins Spiel. Die hätten das Angebot von V. nämlich erlebt.

Was die Zeugen auch bestätigen. Der laut Eigendefinition "Seit gestern nicht mehr"-Präsident Krammer erinnert sich noch an eine Besprechung im Juni 2015. "Es ging um das neue Stadion, Herr P. war als Vertreter unserer Fankurve dabei." Plötzlich sei die Tür aufgeflogen, und Faktotum V. sei hereingekommen. "Braucht jemand einen 125er-Schein, ich kenn wen bei der Fahrschule, wo man die Fahrstunden nicht machen muss", habe V. gesagt.

Hitzige Besprechung

Die Vorsitzende will von Krammer wie auch den anderen Zeugen wissen, ob sie keine Bedenken bezüglich des offensichtlich gesetzwidrigen Angebots gehabt hätten. Hatte niemand, man sei an dem Angebot nicht interessiert gewesen und wollte nur bei der offenbar etwas hitzigen Besprechung nicht weiter gestört werden.

Die nicht rechtskräftigen Urteile: Frau P bekommt anklagekonform acht Monate bedingt. Ebenso Herr P., dem der Senat trotz der Zeugenaussagen "die Geschichte nicht glaubt. Jeder wusste bei Rapid, dass Herr V. Frau P. kannte", begründet Aigner.

Viertangeklagter W., pikanterweise ein Anhänger von Austria Wien, erhält keine Zusatzstrafe zu früheren Verurteilungen. Der Zweitangeklagte kommt mit einer Diversion davon, er muss 350 Euro Geldbuße und die Gerichtskosten zahlen. Die restlichen Angeklagten werden rechtskräftig freigesprochen, da sie entweder nichts von den Malversationen wussten oder nichts Rechtswidriges gemacht haben. (Michael Möseneder, 26.11.2019)