Anhaltende Klimastreiks und -proteste auf der ganzen Welt ließen auch die Politik nicht kalt. Doch was ändert sich wirklich?
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FRAGE: Was passiert in Madrid?

ANTWORT: Eigentlich hätte die 25. UN-Klimakonferenz heuer in der chilenischen Hauptstadt Santiago stattfinden sollen. Nach anhaltenden Protesten und Ausschreitungen wurde sie vor wenigen Wochen jedoch abgesagt. Spanien bot kurzfristig an, als Gastgeberland einzuspringen. Die Konferenz findet nun zwischen 2. und 13. Dezember in Madrid statt.

FRAGE: Was sind die Ziele des Gipfels?

ANTWORT: Die Vertragsstaaten haben sich zum Ziel gesetzt, die letzten offenen Punkte für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auszuhandeln. Ein Teil dessen wurde bereits bei der Konferenz im Vorjahr geklärt. Heuer wird es unter anderem um die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen gehen. Offen ist etwa Artikel 6 der Pariser Konvention, in dem es unter anderem um die Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern geht. Derzeit ist das Ziel eine Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts im Vergleich zum vorindus triellen Zeitalter, angestrebt werden jedoch 1,5 Grad.

FRAGE: Was hat sich seit der vergangenen Konferenz verändert?

ANTWORT: Die anhaltenden Klimaschutzproteste haben seit der Konferenz in Polen im Dezember 2018 zumindest auf nationaler Ebene die Klimapolitik geprägt. Seit Kattowitz hat sich unter anderem auch die EU das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Vereinigten Staaten gehen in eine andere Richtung: Präsident Donald Trump hat Anfang November offiziell den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro liebäugelt mit einem Rückzug.

FRAGE: Wie hat sich das Klima weltweit verändert?

ANTWORT: Während einzelne Staaten in den vergangenen Jahrzehnten einen Emissionsrückgang verzeichnen konnten, steigen CO2-Emissionen global weiter an. Seit 1970 hat sich der weltweite Ausstoß laut Weltbank beinahe verdoppelt. Der größte Emittent der Welt ist nach wie vor China, gefolgt von den USA und der Europäischen Union. Während sich die Bilanz vor allem in China zuletzt deutlich verschlechtert hat, ist die Menge der Treibhausgasemissionen in der EU im Vergleich zu 1990 beispielsweise um mehr als 20 Prozent gesunken.

FRAGE: Wie sieht es in Österreich aus?

ANTWORT: Hierzulande sind die Treibhausgasemissionen in den vergangenen Jahren – mit einer Ausnahme im Vorjahr – gestiegen. Der Rückgang im Jahr 2018 entstand in erster Linie durch Sondereffekte – wie die Wartung eines Voest-Hochofens und Witterungsbedingungen. Wissenschafter gehen davon aus, dass der Ausstoß heuer wieder steigen wird. Insgesamt emittiert Österreich mittlerweile mehr als im Jahr 1990.

FRAGE: Was will Österreich tun?

ANTWORT: Laut EU-Ziel muss Österreich seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 36 Prozent reduzieren. Den Weg dahin soll der Nationale Ernergie- und Klimaplan weisen. Der vor kurzem präsentierte Entwurf des Umweltministeriums wurde von Wissenschaftern und Klimaaktivisten allerdings als stark unzu reichend kritisiert. Die öffentliche Begutachtungsphase läuft noch bis Anfang Dezember.

FRAGE: Was sind die wissenschaftlichen Fakten?

ANTWORT: Weltweit steigt die Durchschnittstemperatur, rund die Hälfte des Anstiegs erfolgte in den letzten 30 Jahren. Weltweit waren die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 die heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Auswirkungen der Erwärmung sind in vielen Regionen bereits deutlich spürbar, wie auch die Berichte des Weltklimarates, an denen tausende Forschende beteiligt sind, verdeutlichen.

FRAGE: Wie versucht die Wissenschaft, sich Gehör zu verschaffen?

ANTWORT: Schon zu Beginn der ersten weltweiten Klimastreiks stellten sich Wissenschafter hinter die Forderungen der von Greta Thunberg initiierten Fridays-for-Future-Bewegung. Die Scientists for Future etwa besteht aus mehr als 60 Regionalgruppen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Daneben gibt es zahlreiche weitere Initiativen. Zuletzt haben mehr als 11.000 Wissenschafter aus 153 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung vor einem weltweiten "Klima-Notfall" gewarnt.

FRAGE: Wie hat sich der Klimadiskurs gewandelt?

ANTWORT: Obwohl zahlreiche Fakten schon lange bekannt sind, ist es erst in letzter Zeit zu einem regelrechten "Klima-Hype" gekommen. Einerseits hat sich die Medienlandschaft geändert, andererseits gibt es einen inhaltlichen Wandel, sagt Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin. Internetplattformen, Social Media, Messenger-Dienste und direkte Kommunikation durch zivilgesellschaftliches Engagement ergänzen traditionelle Medien. Die Wissenschaft übernimmt zunehmend die Rolle, die "unbequeme Wahrheit" zu thematisieren und die Auseinandersetzung zu suchen. Fazit: Das Problembewusstsein hat sich erhöht, die Bereitschaft zur realpolitischen Umsetzung ist aber noch sehr gering.

FRAGE: Wie geht es nach Madrid weiter?

ANTWORT: Das kommt natürlich in erster Linie auf das Ergebnis der Verhandlungen in Madrid an. Im Laufe des kommenden Jahres soll das Regelwerk des Pariser Abkommens jedenfalls zu greifen beginnen. Außerdem haben sich Industrieländer dazu verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen. (Nora Laufer, Karin Krichmayr, 1.12.2019)