Wien – Mitte Jänner wurde von der "EAT-Lancet-Kommission", der 37 Wissenschafter unterschiedlicher Disziplinen aus 16 Ländern angehören, unter dem Titel "The planetary health diet" ein Konzept für die Gesundheit von Mensch und Klima vorgestellt. Erstmals wurden Ernährungsrichtlinien mit dem Ziel formuliert, nicht nur die Gesundheit zu fördern, sondern auch dem Klimawandel entgegenzuwirken. Ein zentraler Punkt darin: Pro Tag sollten maximal 35 Gramm an rotem Fleisch konsumiert werden. Im Gegenzug sollten mehr Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse gegessen werden. Dadurch käme es zu einer Reduktion vorzeitiger Todesfälle um 20 Prozent.

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Weniger Fleisch macht Menschen gesünder und wirkt als Maßnahme dem Klimawandel entgegen: Eine entsprechende Empfehlung von Wissenschaftern wurde in den sozialen Medien erfolgreich konterkariert.
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Seitens großer internationaler Medien wie The Guardian oder der New York Times wurde das Konzept positiv aufgenommen. "Es führte aber auch zu hochpolarisierten Onlinedebatten, inklusive Desinformation, Verschwörungstheorien und persönlichen Attacken in Zusammenhang mit dem Hashtag #Yes2Meat", schreiben die Autoren einer aktuellen Analyse vom Stockholm Resilience Centre und dem Complexity Science Hub (CSH) Vienna, die im Fachblatt The Lancet veröffentlicht wurde.

Die Komplexitätsforscher Victor Galaz, David Garcia und Stefan Daume durchleuchteten rund 8,5 Millionen Tweets, die von 4.278 Nutzern in Zusammenhang mit dem Thema #EAT-Lancet und #Yes2Meat formuliert wurden. Dabei zeigte sich, dass bereits Tage vor der Veröffentlichung des Berichts unter #Yes2Meat eine zunächst eher in neutralem Ton gehaltene, aber durchaus lebhafte Debatte begonnen wurde, heißt es in einer Aussendung des CSH.

Rauer Ton

In der Zeit danach wurde der Ton rauer, und Erkenntnisse der Kommission wurden direkt angegriffen. Im Fortgang der Diskussion überstieg dann die Reichweite der negativen Kampagne auf Twitter jene der ausgewogenen Berichterstattung. Während im Untersuchungszeitraum Kritiker dort 26 Millionen Menschen erreichten, ging die Botschaft von Wissenschaftern und Befürwortern an rund 25 Mio. Menschen.

Die Komplexitätsforscher werten in ihrer nunmehrigen Arbeit die Yes2Meat-Bewegung als Rückschlag für den EAT-Lancet-Bericht. Es sei der Kampagne offenbar auch gelungen, viele unentschlossene Twitter-User zu beeinflussen. Auffällig war, dass die Pro-Fleisch-Aktivitäten nachweislich nicht von sogenannten "Social Bots" – also Programmen, die automatisch Nachrichten versenden – getragen wurden.

Für Koautor Galaz ist es "zutiefst beunruhigend zu sehen, dass Erkenntnisse aus einer ambitionierten und sorgfältigen wissenschaftlichen Analyse, wie sie die EAT-Lancet-Kommission vorgelegt hat, in sozialen Medien erfolgreich konterkariert werden können". Für den am CSH und an der Medizinischen Universität Wien tätigen Garcia zeigt die Studie, "dass die wissenschaftliche Kommunikation in sozialen Medien viel komplexer ist als jene über traditionelle Massenmedien. Mit unseren Ansätzen können wir öffentliche Gespräche jedoch gut erfassen und analysieren. Die Erkenntnisse helfen dann im Diskurs mit der Öffentlichkeit weiter." (red, APA, 26.11.2019)