Gerhard Zeiler wäre ein guter SPÖ-Parteivorsitzender geworden, jedenfalls ein besserer als Christian Kern, gegen den er 2016 den Kürzeren zog. Doch diese Gelegenheit wurde vertan, und das Tor ist nunmehr geschlossen. Mit seinen aktuellen Ratschlägen in Buch- und Interviewform hilft er der Partei allerdings nicht. Nicht dass Zeiler mit seinem Ruf nach einer wirtschaftsfreundlichen, aber ökologisch ausgeprägten Politik unbedingt falsch liegt. Aber er vertritt damit eine bestimmte Richtung innerhalb der Partei, die bei anderen auf wenig Zustimmung stößt. Die Frage, wofür die SPÖ eigentlich stehen soll, wird durch Zeilers programmatische Ansagen nicht beantwortet.

Es ist ein Irrglaube, dass die SPÖ derzeit vor allem eine Programmdiskussion braucht. Ja, die Partei ist nicht nur in einen Hackler- und einen Boboflügel gespalten, sondern auch in eine Fraktion, die nach links drängt, und eine andere, die auf Unternehmertum und Digitalisierung setzt. Auch Migration und der Umgang mit der FPÖ entzweien die Genossen.

Aber das Problem haben alle Volksparteien. Die ÖVP vereint unter ihrem Dach sehr unterschiedliche Milieus und Interessen, die FPÖ wollte in der Regierung gleichzeitig sozial und neoliberal sein, und selbst bei den Grünen liegen Welten zwischen vielen Wiener Linken und den pragmatischen Bürgerlichen im Westen.

Schmerzhafte Kündigungen

Erfolgreich sind Parteien dann, wenn Persönlichkeiten an ihrer Spitze stehen, die solche Widersprüche durch Charisma und Glaubwürdigkeit überspielen können. Das schaffen Sebastian Kurz und Werner Kogler; das wäre, von seinen jetzigen Medienauftritten zu schließen, auch Zeiler gelungen. Seine Thesen klingen überzeugend, obwohl oder gerade weil er bei den schwierigsten Themen, etwa der Migrationspolitik, vieles offenlässt. Eine Handlungsanweisung für Pamela Rendi-Wagner liefert er damit allerdings nicht.

Gerhard Zeiler fordert eine Neuaufstellung der SPÖ.
Foto: Robert Newald

Die Bundesparteichefin muss selbst eine Sprache und einen Stil finden, mit denen sie eine klare Philosophie suggeriert, ohne sich in jedem Detail festzulegen. Denn angesichts ihrer zwar schrumpfenden, aber inhomogenen Wählerschaft muss die SPÖ für unterschiedliche Botschaften offen bleiben. Das erfordert eine Routine, die Rendi-Wagner immer noch fehlt, und eine innerparteiliche Autorität, die ihr ihre Parteifreunde bisher verwehrt haben.

Dennoch: Von ihrer Persönlichkeit und Biografie her ist Rendi-Wagner für diese Integrationsrolle gut aufgestellt. Vielleicht erweist sich auch das aktuelle Sparpaket als Befreiungsschlag. Die Kündigungen sind zwar schmerzhaft und werden die Parteiarbeit erschweren, aber sie signalisiert damit nach innen und nach außen Entschlossenheit.

Übersteht Rendi-Wagner die aktuelle Führungsdebatte, dann erhält sie eine Atempause. Kommendes Jahr müssen sich ihre internen Kontrahenten Hans Peter Doskozil und Michael Ludwig den Wählern stellen. Gehen diese Wahlen gut aus, wird die Kritik an der Parteichefin leiser werden; verlieren die beiden kräftig, dann tragen sie selbst die Hauptverantwortung.

Für Rendi-Wagner war Ibiza kein Glücksfall: Die Neuwahl kam für sie zu früh. Wenn die türkis-grüne Koalition zustande kommt, hat sie vier Jahre lang Zeit, um sich in der Opposition zu einer überzeugenden politischen Persönlichkeit zu entwickeln. Von Zeiler kann sie dabei Rhetorik und öffentliches Auftreten lernen. Sein Buch kann sie schnell wieder beiseitelegen. (Eric Frey, 26.11.2019)