Bild nicht mehr verfügbar.

Nichts geht mehr vor dem Brandenburger Tor: Viele Landwirte sind mit ihren Traktoren gekommen, um ihren Unmut gegen das Agrarpaket der Regierung kundzutun.

Foto: AP/ Michael Sohn

Bauern sieht man in Berlin normalerweise kaum – höchstens im Ortsteil Gatow, kurz bevor es rausgeht Richtung Brandenburg. Doch an diesem Dienstag ist es ganz anders.

Schon frühmorgens herrscht auf den Einfallstraßen ein Lärm, wie ihn einhundert Laubbläser nicht erzeugen könnten. Im Sekundentakt rollen schwere Traktoren, insgesamt 5095, Richtung Zentrum, und dort, an der Straße des 17. Juni – vor dem Brandenburger Tor –, wird es dann erst richtig laut.

„Wir müssen uns jetzt einfach mal Gehör verschaffen“, sagt Olaf, ein 34-jähriger Getreidebauer aus Schleswig-Holstein. Am Sonntagabend sind er und seine Leute losgefahren, hunderte Kilometer bis Berlin, übernachtet hat man bei Freunden am Weg, aber: „An Schlaf war kaum zu denken.“

Die Bauern nämlich haben eine ziemliche Wut im Bauch. Auf die Bundesregierung, aber auch auf die nichtagrarische Bevölkerung, insbesondere die Städter. „Wir sind die Deppen der Nation, die Tierquäler, die Buhmänner, die die ganze Umwelt vergiften“, sagt der Landwirt und stützt sich auf einen riesigen Traktor.

Von dort hat er einen guten Blick aufs Brandenburger Tor, das an diesem Tag aussieht wie eine Miniatur aus Lego. Überall stehen die gewaltigen „Trecker“ rum, das verschiebt die Perspektive.

Immer mehr Auflagen

„Die Leute haben keine Ahnung, was wir eigentlich machen und leisten“, klagt auch Klaus, Gemüsebauer aus Groß-Ziethen in Brandenburg. „Wir bekommen immer strengere Auflagen, aber sollen immer billiger produzieren.“ Er ist hergekommen, „weil das so nicht mehr weitergeht“ und er etwas zurechtrücken will: „Ich bin doch kein Giftmischer. Ich esse meine Ware doch auch und trinke unser Wasser, das wir angeblich verseuchen.“

Deutschlands Bauern sind wütend auf die Politik. Sie fordern weniger Schikanen und bessern Schutz gegen Konkurrenz aus Übersee.
Foto: APA / dpa / Bernd von Jutrczenka

Der fehlende Respekt vor Lebensmitteln wird immer wieder auf Transparenten thematisiert. „Ist der Bauer erst ruiniert, wird dein Essen importiert“, ist auf einem zu lesen. Auf anderen steht: „Ihr steht im Discounter am Tresen, wir stehen am Pranger.“ Und: „Erst verhungern die Pflanzen, dann die Bauern, dann Ihr.“

An der Politik haben die Landwirte auch einiges auszusetzen. Sie protestieren gegen das Agrarpaket, das die Ministerinnen Julia Klöckner (Agrar/CDU) und Svenja Schulze (Umwelt/SPD) ausgearbeitet haben. Dieses beinhaltet schärfere Regeln beim Düngen, es soll weniger Jauche auf die Felder kommen. Denn die EU hat Deutschland wegen überhöhter Nitratwerte im Grundwasser verklagt und beim EuGH recht bekommen.

Weniger Schädlingsgifte

Auch der Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften soll zum Schutz von Insekten eingeschränkt werden. Ein neues Logo, so der Plan der Ministerinnen, wird Schweinefleisch aus besserer Tierhaltung kennzeichnen, das passiert auf freiwilliger Basis.

„Alle möchten natürlich nur Bio, aber es darf nichts kosten, und mehr Flächen bekommen wir ja auch nicht“, kritisiert Bauer Klaus, der sich auch von seiner Standesvertretung alleingelassen fühlt: „Sie macht zu wenig Imagekampagnen für Landwirte.“

Agrarministerin Klöckner zeigt – zeitgleich im Bundestag – Verständnis für die Bauern: „Sie haben es satt, aus städtischer Perspektive belehrt zu werden, wie Landwirtschaft auszusehen hat.“

Doch später bei der Kundgebung vor den Landwirten verteidigt sie das Koalitionspaket, bietet aber mehr Beteiligung der Bauern bei Entscheidungen an. Am 2. Dezember soll es einen Agrargipfel bei Angela Merkel geben.

Auch Umweltministerin Schulze will, dass die Bauern „Teil der Lösung“ sind. Aber sie sagt: „Wir brauchen auch klare Regeln.“ Dafür kassiert sie viel Unmut. Bei der Kundgebung wird sie von vielen Bauern ausgepfiffen, andere drehen ihr einfach den Rücken zu. (Birgit Baumann aus Berlin, 26.11.2019)