Im Gastkommentar tritt Michael Heinisch, Geschäftsführer der Vinzenz-Gruppe, für ein europäisches, demokratisch und rechtsstaatlich kontrolliertes "Big Health Data"-Projekt ein.

Der Vergleich macht uns sicher. Das ist in unserem Alltag nichts Neues: Vor wichtigen Entscheidungen vergleichen viele Menschen die unterschiedlichen Optionen, die ihnen offenstehen. Soll man dieses oder jenes Produkt kaufen? Diesen oder jenen Urlaub buchen? Diese oder jene Wohnung mieten? Die digitale Welt macht uns das Vergleichen noch einfacher. Auf ihren zum Teil weltweiten Plattformen finden wir rasch die beste, günstigste oder attraktivste Lösung für uns heraus. Egal, ob es sich um ein spannendes Buch oder ein Hotel für den nächsten Urlaub handelt.

Das Ergebnis des laufenden Vergleichens bringt uns vor allem eines: Wir sind besser über Produkte und Dienstleistungen informiert. Wir wissen, was besser zu uns passt und was nicht. Wir profitieren von mehr Transparenz.

Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley schielen auch auf den Gesundheitsmarkt. Daher ist es wichtig, Gesundheitsdaten nach europäischen Werten zu schützen.
Foto: AFP / Johannes Eisele

Ähnliches brauchen wir heute auch im Gesundheitswesen. Denn es geht darum, den Menschen viel mehr fundierte Informationen über die Qualität von Gesundheitsleistungen zu geben. Die Patientinnen und Patienten haben das Recht auf eine optimale Gesundheitsversorgung – und daher auch auf verlässliche Entscheidungshilfen und Vergleichswerte.

Keine "Blackbox"

Der Wunsch nach mehr Informationen und Vergleichsmöglichkeiten von Gesundheitsdienstleistungen hängt eng mit dem wachsenden Wunsch nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zusammen. Das Gesundheitssystem darf keine „Blackbox“ sein, wo die Menschen nicht wirklich wissen, was darin – mit ihnen – passiert. Je höher das Wissen um das Gesundheitssystem ist, desto höher wird auch die eigene Gesundheitskompetenz.

Natürlich wird es auch immer wichtiger, Menschen mit fundierten Informationen vor Scharlatanerie zu schützen. So hat etwa das Ordensklinikum Linz dubiosen Geschäftemachern und Scharlatanen, denen verzweifelte Krebspatienten in Scharen auf den Leim gehen, den Kampf angesagt. Über die vor fünf Jahren im Haus der Barmherzigen Schwestern gegründete Krebsakademie wurde die in Österreich einzigartige Onlineplattform "selbertun.at" initiiert. Ihre medizinisch abgesicherten Informationen helfen Menschen wirklich weiter.

Vorteile der großen Fallzahl

Bei der Vergleichbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen stehen wir in Österreich noch am Anfang. Es existieren kaum belastbare Qualitätskennzahlen, die auch für Patientinnen und Patienten verständlich sind. Einzelne Länder sind uns da schon voraus. Der beste Weg auch hierzulande wäre es, Gesundheitsdaten auf europäischer Ebene zu sammeln und zu nützen. Gesundheitsdienstleistungsdaten zu sammeln und in aussagekräftigen Kennzahlen auszuwerten brächte uns die Vorteile der großen Fallzahl und damit der besseren Vergleichbarkeit. Es wäre etwa für uns leichter, Patientendaten mit der gleichen Symptomatik zu finden und über den Erfolg der jeweiligen Therapie vorab Bescheid zu wissen.

Europäische „Big Health Data“ wären aber auch ein einzigartiges europäisches Projekt, bei dem wir zeigen, wie Digitalisierung made in Europa funktioniert. Eben nicht als reine Geschäftemacherei großer Konzerne, wie in den USA, oder als soziales Überwachungs- und Kontrollprojekt wie in China, sondern als europäisches Projekt im Dienst der Menschen. Demokratisch und rechtsstaatlich kontrolliert – und nicht von undurchsichtigen Interessen gesteuert.

Europäische Werte

Europa wird heute vielfach mit Bestimmungen in Verbindung gebracht, die in Bürokratie und Belastungen münden. Eine europäische Initiative für mehr Gesundheitsqualität durch transparente Daten wäre das Gegenteil: Sie würde unsere Handlungsspielräume bei der Auswahl der passenden Gesundheitsdienstleistung spürbar erhöhen. Sie brächte uns mehr Gesundheitswissen und mehr Gesundheit. Sie würde zeigen, dass mehr Europa nicht nur Wirtschaft und Arbeit, sondern auch der Gesundheit guttut.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die großen Digitalkonzerne auch den Gesundheitsmarkt im Visier haben. Unser Smartphone wird im Auftrag der Datensammler mehr als nur unsere täglichen Schritte zählen. Es ist nicht zuletzt eine Frage unserer politischen wie persönlichen Autonomie, wer unsere Gesundheitsdaten hat und wie sie genützt werden können. Umso wichtiger ist es, dass wir Gesundheitsdaten nach unseren europäischen Werten schützen und nützen – und unser Gesundheitswesen so transparent machen, dass der Mensch mit Körper und Seele im Mittelpunkt steht. Und nicht bloß das kommerzielle oder politische Interesse an ihm. (Michael Heinisch, 27.11.2019)