Der Standortturbo soll Großprojekten Vorrang verschaffen.

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Das Standortentwicklungsgesetz beschäftigte auch das Umweltministerium unter Elisabeth Köstinger.

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Die Regierung stelle Profit über Umweltschutz, monierten NGOs. Juristen sahen die Verfassung und EU-Recht gebrochen. Ökonomen fürchteten hohe Folgekosten. Das Standortentwicklungsgesetz, das großen Infrastrukturprojekten Vorrang geben soll, erhitzte im vergangenen Jahr zahlreiche Gemüter. Während viele Organisationen zu dem Standortturbo Stellung bezogen, blieb eine besonders relevante Einrichtung weitgehend still: das Umweltministerium.

Dieses weigerte sich bis zuletzt, die interne Position zu dem Gesetzesentwurf, der von Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) eingebracht worden war, zu veröffentlichen. Das hat sich vor einer Woche geändert. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass das Ministerium das Papier nicht weiter zurückhalten darf. Bisher sei man davon ausgegangen, dass "keine Verpflichtung zur Veröffentlichung informeller Anmerkungen" bestehe, hieß es vergangene Woche aus dem Ministerium.

Nach dem Gerichtsentscheid hat das Ministerium nun allerdings eingelenkt und übermittelte seine Einschätzung der NGO Virus, die Beschwerde eingelegt hatte. Das Papier, das ohne Briefkopf und Unterschrift auskommt, liegt dem STANDARD vor.

Nur Anmerkungen

Insgesamt beinhalte es "einige fachliche Anmerkungen", sei aber "keine formelle Stellungnahme" im Begutachtungsprozess gewesen, betonte ein Sprecher von Umweltministerin Maria Patek.

Was steht also in den lang geheim gehaltenen Anmerkungen? Das Vorhaben, das Ermittlungsverfahren automatisch durch Zeitablauf nach zwölf Monaten zu genehmigen, wurde zerpflückt. Auch die geplante Schließung des mündlichen Verfahrens erntete harsche Kritik. Laut Verfassung und Europäischem Gerichtshof müssen neue Einwendungen auch danach geltend gemacht werden können, heißt es.

In dem zwölfseitigen Schreiben begrüßte das Ministerium "Bestrebungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts", merkte aber an, dass das fertige Gesetz EU-konform sein müsse. Dieser Punkt ist noch immer ausständig: Die EU-Kommission hat daher mehrere Mängel gerügt.

Klima außen vor

Weitere Kritikpunkte: In mehreren Passagen empfahl das Umweltministerium – damals noch unter der Leitung von Elisabeth Köstinger (ÖVP) –, den Gesetzestext zu präzisieren. So sei die Liste für die Beurteilung, ob ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, nicht vollständig.

Zwar wurden Kriterien nach Wirtschaftsrelevanz – wie die Schaffung von Arbeitsplätzen – genannt, nicht aber nach Klima- und Umweltschutzbelangen. Außerdem möge der Standortentwicklungsbeirat eine gutachterliche Stellungnahme beibringen, die vor Gericht verwendbar ist. Zudem sei in dem Gesetzesentwurf nicht präzise festgehalten, welche Unterlagen notwendig seien, um festzustellen, ob bei einem Projekt ein besonderes Interesse besteht.

Nach Informationen des Umweltministeriums wurden insgesamt zehn der Anmerkungen berücksichtigt. Unter anderem die automatische Genehmigung von UVP-Verfahren durch Zeitablauf. Die verkürzten Fristen wurden dennoch nicht gestrichen. Ein Punkt, den auch die EU-Kommission kritisierte.

Vier Anmerkungen der Beamten wurden teilweise in das finale Gesetz übernommen, hieß es am Dienstag. In zwei Fällen wurden diese ignoriert: So hatte das Köstinger-Ministerium kritisiert, dass die UVP-Richtlinie zahlreiche inhaltliche Mindestanforderungen an einen UVP-Genehmigungsbescheid vorsieht, die sich im Standortgesetz nicht wiederfanden. Die geplante Frist von acht Wochen für die Erstellung des Bescheids ist aus Sicht des Ministeriums "in der Praxis schwer umsetzbar".

Zuletzt bekrittelte das Ministerium, dass die abweichenden Kundmachungsregelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des UVP-Gesetzes mögliche Quellen für Verfahrens- und Kundmachungsfehler seien. Auch dieser Punkt wurde im Gesetz ignoriert. (Nora Laufer, 27.11.2019)