Links ein Buch mit "Frischesiegel" und rechts konventionell in Folie verpackt.

Foto: wurm

Ullstein twittert mit dem Hashtag #ohnefolie.

Erklärvideo der Druckerei Gugler* zum Cradle-to-Cradle-Prinzip.

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Die Stapel in den Buchhandlungen glänzen noch immer. Manche Kunden freuen sich an der Einschweißfolie, weil sie ein Buch als unberührt ausweist, anderen geht das Kletzeln beim Öffnen auf die Nerven. Viele hegen aber inzwischen ernsthaftere Bedenken in Sachen Plastik. Es schützt zwar einerseits vor Verschmutzung, Zerfleddern und Feuchtigkeit beim Transport sowie vor Fingerabdrücken und Eselsohren vom Blättern und vor Staub im Regal. Zunehmend machen sich Verlage aber Gedanken um ihre Ökobilanz.

Benedikt Föger, Hauptverbandschef des Österreichischen Buchhandels, sprach im STANDARD jüngst von Ökologisierung als Zukunftsaufgabe der Branche. Den Verzicht auf Schutzfolie haben sich tatsächlich bereits mehrere Verlage auf die Fahnen geschrieben. Von den zu Bonnier gehörenden Häusern Ullstein und Piper wurde etwa schon im Herbst 2018 der Hashtag #OhneFolie in den sozialen Netzwerken lanciert.

Damit kommunizierte der Konzern den Schritt auch gleich werbewirksam einer immer kritischeren digitalen Öffentlichkeit. Der Kampf gegen den Müll ist einer, den man nicht gegen die Kunden, sondern nur mit deren Einverständnis und Rückenwind führen kann, das wissen die Verlage.

Folie als Ausnahmefall

Hanser verzichtet seit dieser Saison bei normalen Büchern auf Folierung, nur hochwertige und teure Bücher erhalten noch eine Schutzhülle. Es gebe sehr wenige Reklamationen wegen Beschädigungen, so der Verlag auf Anfrage. Änderungen hinsichtlich der Auslieferung seien kaum nötig gewesen, sie wurde bloß "sensibilisiert".

Plastikverzicht ist die populärste Absichtserklärung zum Thema. Als Alternativen zur Folie erprobt werden außerdem kompostierbare Folien ähnlich den neuen Sackerln an der Gemüsetheke im Supermarkt, "Frischesiegel" genannte Klebestreifen, die Bücher als noch unbenutzt kennzeichnen, oder Einschläge aus Papier.

Ist das genug? Vor allem Konzernverlage drucken viele Bücher in Asien und schicken sie per Schiff um die halbe Welt.

Ökologisierung reicht weiter als bis zum Plastik. Hanser prüft deshalb Schritte zu Farben, Leimen, Lacken. Den Weg bereits gegangen ist der Innsbrucker Verlag Löwenzahn. Seit Juli veröffentlichte er sieben umweltfreundlich hergestellte Titel – auf Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft, bedruckt mit pflanzenölbasierter Farbe.

Kompostierbarer Kreislauf

Das kommt nicht von ungefähr, die Bücher von Löwenzahn drehen sich um Themen wie Nachhaltigkeit und Insektenschutz. Dieser Geist soll sich auch in ihrer Machart spiegeln, so Verleger Markus Hatzer. Gedruckt wird bei der in Melk ansässigen Druckerei Gugler*. Es sind vor allem solche Nischen und speziellen Titel, die dort umweltbewusst hergestellt werden.

Umweltschutz war schon Thema, als Gugler sich 1989 mit dem Betrieb selbstständig gemacht hat. 2011 hat die Druckerei sich als erste weltweit dem Cradle-to-Cradle-Prinzip verschrieben. Das heißt, dass alle Komponenten eines Buches kompostierbar sind: Papier, Farbe, Leim, Lacke, Kleber.

Sie werden von einem unabhängigen Umweltinstitut nach ökotoxikologischen Kriterien untersucht. Das sei ein vollkommen anderer Ansatz als alle anderen Zertifizierungssysteme, die diese oder jene Chemikalien verbieten, so Ernst Gugler. Denn Hersteller wichen dann einfach auf andere aus, die aber oft noch nicht bewertet und vielleicht sogar noch schädlicher seien.

Was gängige Gütesiegel angeht, ist Gugler also skeptisch. Die Hürde, dass man etwa das Österreichische Umweltzeichen kriege, sei sehr gering. Dafür werde nicht einmal verlangt, dass man mit Strom aus erneuerbarer Energie produziert. Gugler* hingegen deckt den Großteil seines Wärmebedarfs mit der Abwärme der Druckmaschinen und ist dabei, die Öko- und CO2-Bilanz seiner Zulieferer zu erheben. Um sein Know-how mit Druckereien europaweit auszutauschen, hat Gugler heuer Print The Change gegründet, quasi eine Forschungsgenossenschaft. Dort werden auch Kompostierbarkeitstests für Farben durchgeführt.

Ökodruck kaum teurer

Wie teuer ökologisches Drucken ist? Manche der Komponenten sind teurer als konventionelle, etwa hatte man schon Farben, die doppelt so viel kosten wie gewöhnliche. Trotzdem dürfen Erzeugnisse von Gugler* maximal fünf Prozent mehr als ein herkömmliches Druckprodukt kosten. Manchmal sei man dank moderner Technik sogar günstiger als Mitbewerber, so Gugler.

Ein Belletristikbestseller ist trotzdem noch nicht durch Guglers Pressen gelaufen.

Was den Verzicht auf die Plastikhaut angeht, ist der umweltfreundliche Drucker jedoch skeptisch. "Das ist eine feine Maßnahme, wenn es dadurch aber im Handel mehr Retouren gibt, verkehrt sich der Effekt womöglich ins Negative. Es gibt Kunden, die bei uns umweltfreundlichst drucken lassen und das Buch dann also zur Retourenverminderung eingeschweißt haben wollen."

Was sagt der Handel? Das Buchkontor im 15. Wiener Bezirk begrüßt den Verzicht. In anderen Ländern würden Bücher gar nicht eingeschweißt und Beschädigungen durch den Transport kämen auch bei folierten Exemplaren vor. Einen Anstieg beschädigter Ware hat man bisher weiters nicht bemerkt, auch die Reaktionen der Kunden seien positiv. Doch: "Es steht das Weihnachtsgeschäft vor der Tür, und bei Geschenken kommt manchmal das Argument, ein Buch sei nur eingeschweißt originalverpackt. Es wird sich zeigen, wie die Kunden reagieren." (Michael Wurmitzer, 28.11.2019)