Neues Selbstbewusstsein: Das avantgardistische neue Restaurant auf der Mariahilfer Straße ist ein Chinese der kompromisslosen Art.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Kreisrunde Sitzbänke aus glitzerndem Metall und grünem Leder, dazu ein an den Scifi-Couturier Paco Rabanne gemahnender Kettenhemdvorhang aus Edelstahl, der sich bodenlang durchs ganze Lokal zieht, dabei nur die offene Küche mit loderndem Robata-Grill und doppelter Frischnudelstation (Miàn & Jiao Zi) ausspart und viele der Tische auf Wunsch in kleine Séparées verwandelt: Das neue, vom Architekturbüro Tzou Lubroth in eine kryptofuturistische Mondhöhle verwandelte Restaurant Laolao macht auch in gestalterischer Hinsicht ziemlich was her.

Mindestens so sensationell aber ist das Essen und, endlich, das Selbstbewusstsein, mit dem hier authentische chinesische Küche von herausragender Qualität an die Wiener gebracht wird. Okay, einstweilen stürmen vornehmlich smarte Austro-Chinesen der zweiten und dritten Generation das Lokal. Es ist wohl eine Frage der Zeit, bis hier Wurzel-Austriaken nachschmecken kommen, warum China auch beim Essen die Zukunft in der Hand hat.

Zum Beispiel weil Gastronomen wie Qiu Xiaomei, die mit ihrem Mann die japanisch inspirierte All-you-can-eat-Sushi-Kette Ebi aufgebaut hat, endlich die Küche ihrer Heimat präsentieren. Als Inspiration gibt sie ihre "laolao" an. So werden Großmütter mütterlicherseits in China genannt – und ergo das neue Lokal.

Herzstück der Karte sind Suppen und Stir-Frys auf Basis vor Ort, à la minute fabrizierter Nudeln. Es gibt aber noch viel mehr. Dongbei Guo Bao Rou zum Beispiel, eine mandschurische Spezialität aus doppelt gebackenem, superknusprigem Schweinskarree, die mit feuriger, süßsaurer Zwiebelsauce überzogen wird und den Durst auf diabolische Weise zu animieren weiß.

Der muss nicht nur mit Bier gestillt werden, neben geheimnisvoll gewürzten traditionellen Teezubereitungen gibt es auch eine Batterie herausragender Eistees. Speziell super: jener aus Notoginseng, Ingwer und Minze.

Herzstück der Karte sind Suppen und Stir-Frys auf Basis vor Ort, à la minute fabrizierter Nudeln.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Shao Kao Chuan Chuan sind die aus dem muslimischen Norden berühmten Spießchen vom Robata-Grill, in vielerlei Varianten von Lamm und Rind über Garnelen und Pfefferoni bis zu Mantou-Dampfbrötchen und Karfiol. Allen gemein ist außer Chili-Schärfe der kompromisslose Kreuzkümmel-Einsatz – dementsprechend herrlich machen sie Dampf.

Salate aus Stangenzeller und Chili, zündholzdünn gestiftelten rohen Kartoffeln (keine Sorge, werden, wie es sich gehört, gewässert!), Mu-Err-Pilzen mit Knoblauch und Koriander oder herrlich würzigen zermerscherten Gurken sollen laut Oma-Zitat in der Karte "die Hitze im Körper senken" – nach ein paar von den Spießen ist das auch im November ein Thema.

Erhabene Konsistenz

Die eigentliche Sensation aber sind Lamian, die handgezogenen Nudeln. Einerseits weil man gar nicht aufhören kann, dem Meister zuzusehen, wie er aus einem Teigbatzen binnen Minuten – und mit nichts als den Händen – gleichförmig lange, feste, dünne Nudeln schlägt. Und anderseits weil diese Nudeln, in dichten Suppen (grandios mollig etwa Suan Cai mit Sauerkohl und Schweinsfaschiertem!) und würzigen Stir-Frys aus dem Wok, so wahnsinnig köstlich, bissfest und von wunderbarer Konsistenz sind.

Von chinesischen Nudeln dieser Qualität können sich sogar die Italiener noch einiges abschauen. Haben sie eh, dank Marco Polo bereits seit dem 13. Jahrhundert.

Mindestens so toll: die gleichfalls erst nach Bestellung von einer Köchin mit Eleganz geformten Jiao Zi, feiste, mannigfaltig gefüllte Tascherln aus wunderbar festem und doch schlutzigem Teig.

Allein der Meisterin beim Ausrollen und Füllen zuzusehen ist eine Lektion in Eleganz – bei Tisch, ganz klassisch mit einem Hauch Reisessig und fermentierten Olivenblättern kombiniert, kann man gar nicht aufhören, sich an ihrer Kunst zu laben. (Severin Corti, RONDO, 29.11.2019)

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