Die verpflichtende Frauenquote in heimischen Aufsichtsräten entfaltet offenbar bereits ihre Wirkung. Seit Anfang 2018 sind große Unternehmen in Österreich verpflichtet, 30 Prozent der Aufsichtsratsmandate mit Frauen zu besetzen. In der Finanzbranche des Landes, also bei Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern, erreicht die Quote heuer bereits 29 Prozent, wie eine Erhebung des Beratungsunternehmens Oliver Wyman ergeben hat.

"Das ist sehr stark auf die Frauenquote zurückzuführen", sagt Wyman-Finanzexpertin Astrid Jäkel mit Blick auf den starken Anstieg in den vergangenen Jahren. Zum Vergleich: Für das Jahr 2016 lag die Quote noch bei 17 Prozent. Nach diesem Anstieg liegt Österreich auch im internationalen Vergleich sehr gut, wo der Frauenanteil in den Kontrollgremien der Finanzunternehmen nur 24 Prozent beträgt.

Rückgang gegenüber 2016

Wesentlich spärlicher sind in Österreich hingegen Frauen in den Geschäftsleitungen vertreten. Derzeit ist nur jede zehnte operative Führungsposition weiblich besetzt. Das stellt sogar einen Rückgang gegenüber 2016 um drei Prozentpunkte dar. Es sei wesentlich leichter, auf der Aufsichtsratsebene erfahrene Frauen zu gewinnen als für die Geschäftsführung, sagt Jäkel. Ein Gefälle, das auch international besteht: Im Durchschnitt der 37 untersuchten Länder ist auch nur jede fünfte Führungsperson eine Frau.

Bei den Geschäftsleitungen sieht Jäkel das Problem, dass es an der nötigen "Pipeline" fehle, dass also zu wenig Frauen an die Vorstandsebene herangeführt würden. Warum das so ist? "Weil Frauen bei Beförderungen oft in der mittleren Ebene verloren gehen und es nicht ganz nach oben schaffen", sagt Jäkel. Aus ihrer Sicht geraten Frauen in der Mitte des Arbeitslebens in einen Konflikt, dass der Preis einer Karriere, also Einschränkungen bei den eigenen Kindern oder sogar der Verzicht darauf, höher sein kann als der Nutzen.

Gesellschaftliche Erwartung

Neben praktischen Problemen wie Kindergrippen, deren Öffnungszeiten oft nicht an Arbeitszeiten angepasst seien, spielt für Jäkel die gesellschaftliche Erwartungshaltung, nach der sich Frauen um die Kinder kümmern sollten, eine entscheidende Rolle. "Es fehlt an Rollenbildern, die zeigen, wie es geht", betont die Beraterin.

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In Österreich ist nur jede zehnte Führungsposition in der Finanzbranche weiblich besetzt. International ist es immerhin jede fünfte.
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Dass es geht, zeigt übrigens Israel. Das Land ist federführend beim Frauenanteil in Finanzvorständen, die laut der Studie zu 38 Prozent weiblich besetzt sind. Jäkel verweist auf die Besonderheit, dass in Israel Frauen ebenso wie Männer Grundwehrdienst leisten müssten, während anderswo das Militär weiterhin männlich dominiert sei. "Je weniger Bereiche im klassischen Verständnis einer Gesellschaft Männern vorbehalten sind, desto höher ist der Frauenanteil in Führungsebenen."

700 Milliarden Mehrumsatz

Dass dies auch für Unternehmen von Vorteil wäre, untermauert Jäkel mit einer großen Zahl, nämlich rund 700 Milliarden US-Dollar. Um diesen Betrag könnte der Studie zufolge die Finanzbranche ihre weltweiten Jahresumsätze nämlich erhöhen, würde sie verstärkt auf Frauen setzen – und zwar sowohl in der Geschäftsführung als auch auf Kundenseite. Denn Frauen könnten Kundinnen besser verstehen und bedienen, wenn sie auch die Produkte und Dienstleistungen eines Hauses stärker mitgestalten könnten. Zudem zeigen Studien laut Jäkel generell: Teams mit hoher Diversität würden zu besseren Entscheidungen kommen.

Welche Maßnahmen könnte man in Österreich setzen, um mehr Frauen in operative Führungspositionen zu bekommen? Jäkel blickt gedanklich nach Skandinavien, wo etwa in Schweden und Norwegen die Vorstandsetagen zu jeweils mehr als 30 Prozent weiblich besetzt seien. Als Beispiel zieht sie die geteilte Elternzeit in Schweden heran: Der zufolge kann man dort als Paar nur dann die maximale Elternzeit in Anspruch nehmen, wenn auch der Mann davon einen deutlichen Anteil übernimmt. "Das macht sich auf jeden Fall bemerkbar", sagt Jäkel über die Auswirkungen solcher Maßnahmen. (Alexander Hahn, 1.12.2019)