Pflege und Betreuung sind fordernd.

Foto: STANDARD/Corn

Die Bezahlung ist nach Ansicht vieler in keiner Weise adäquat.

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Wien – Eine 35-Stunden-Woche bei gleichbleibendem Gehalt, im Durchschnitt käme dies einem Gehaltsplus von 8,6 Prozent gleich: Mit einer einzigen Forderung gehen die Arbeitnehmervertreter in der österreichischen Sozialwirtschaft (SWÖ) in die KV-Verhandlungen, aber die hat es in sich. Mit ein bisschen mehr da und ein bisschen mehr dort für die 125.000 Beschäftigten wollen sich die Arbeitnehmervertreter heuer nicht abspeisen lassen, bekräftigten sie am Mittwochabend in Wien.

Was es jetzt brauche, sei ein echter Systemwechsel, richten Michaela Guglberger, Chefverhandlerin in der Gewerkschaft Vida, und ihr Pendant in der GPA-djp, Eva Scherz, den Arbeitgebern aus – in der Hauptsache die großen Sozialvereine Volkshilfe, Hilfswerk, Lebenshilfe und Pro Mente. Weniger schwierig als im Vorjahr dürfte die Lohnrunde, die diesen Freitag mit der Forderungsübergabe startet, mit dieser Ansage nicht werden: Damals wurde man sich erst nach sechs Runden handelseins.

Belastender Job

Dass die helfenden Hände herausfordernde Jobs haben, streitet kaum jemand ab: Sie arbeiten in der Kinder- oder Behindertenbetreuung, als Pfleger im stationären und als Heimhilfen im mobilen Bereich. Die Probleme sind bekannt: psychische und physische Belastung, die eher mehr werden, schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bescheidene Bezahlung. Trotz aller Verbesserungen im Vorjahr mit 3,2 Prozent mehr Gehalt oder einem Tag mehr frei bleibt das Grundsatzproblem bestehen, so die Gewerkschaft. 70 Prozent Frauen arbeiten in der Branche – die Teilzeitquote liegt mit ebenfalls 70 Prozent so hoch wie in keinem anderen Sektor. Die Folgen sind bekannt: ein Lohn, der vielfach nicht zum Leben reicht, und eine magere Pension.

Vor allem in der mobilen Pflege ist Teilzeit an der Tagesordnung: Bei der CS Caritas Sozialis arbeiten laut Betriebsratsvorsitzendem Roman Gutsch 82 Prozent Teilzeit – im Durchschnitt 31 Stunden. Nur ein Viertel der Beschäftigten der Volkshilfe Steiermark ist Vollzeit engagiert, ergänzt Betriebsratschefin Beatrix Eiletz. Die Arbeitszeiten lägen zwischen sechs und 25 Stunden pro Woche (die Normalarbeitszeit liegt derzeit laut KV bei 38 Stunden, Anm.). Die in der mobilen Heimhilfe auf Vor- und Nachmittag geteilten Dienste machen die Jobs vor allem für Mütter mit Kleinkindern oft schwierig.

Bescheidene Saläre

Geht es um die Saläre in der Branche, gibt es kaum jemanden, der findet, dass sie adäquat sind – unabhängig davon, ob man Beschäftigte, Wissenschafter oder Gewerkschafter fragt. Eine Heimhilfe im ersten Berufsjahr verdient bei 25 Wochenstunden laut Kollektivvertrag 1.047 Euro netto im Monat (brutto 1.233), eine Fachsozialbetreuerin für Behinderte kommt bei 30 Stunden auf knapp 1.350 Euro netto (brutto 1.715).

Warum es so viele Teilzeitkräfte gibt, darüber besteht weitgehend Einigkeit: Teilzeitkräfte seien flexibler, was der Dienstplanerstellung zugutekomme, sie könnten schnell einmal einspringen, ohne dass gleich ein Überstundenzuschlag anfalle. Vollzeitstellen würden von den Arbeitgebern einerseits kaum angeboten, aber sie seien von den meisten auch kaum erwünscht, wäre da nicht das leidige Geld. Zu anstrengend und fordernd sei der Job: Die 35-Stunden-Woche wäre perfekt, sagen Scherz und Guglberger. Weil der Teilzeitanteil so hoch ist, käme das der satten Lohnerhöhung von 8,6 Prozent gleich. Vollzeitbeschäftigte kämen damit auf 18 zusätzliche freie Tage im Jahr, rechnen Scherz und Guglberger vor.

Gerangel um die Kräfte

Den erhöhten Bedarf an Pflegekräften "wird man nicht mit der 25. Imagekampagne oder noch so vielen Messen abdecken", mahnt Guglberger und ergänzt, dass in den nächsten Jahren viele der rund ein Drittel über 50-Jährigen in der Branche in Pension gehen werden. Beatrix Eiletz findet, dass es für die Arbeitgeber sehr viel sinnvoller sei, die Beschäftigten gleich ordentlich zu entlohnen, anstelle "Kopfprämien zwischen 200 bis 400 Euro zu zahlen", um Kollegen von anderen Arbeitgebern abzuwerben.

Auf das Argument der Arbeitgeberverhandler, die in der Regel den Ball an die Politik weiterspielen und erklären, dass man eben auf die Fördergeber angewiesen sei, sind die Arbeitnehmerverhandlerinnen vorbereitet: Sie müssen sich eben auf die Beine stellen, dass die Fördergeber das Geld freigeben. (rebu, 27.11.2019)