Der deutsche Comedian Dieter Nuhr hat einige turbulente Tage hinter sich. In seinen jüngeren Auftritten hat er ein neues Ziel gefunden. Er witzelt nicht nur über bekannte Politiker und Stars aus der Popkultur, sondern seit September auch über die Umweltaktivistin Greta Thunberg. "Ich werde, weil meine Tochter zu den Freitagsdemos geht, im Kinderzimmer nicht mehr heizen. Wenn unsere Kinder meinen, wir könnten diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen", erklärt er etwa seinem Publikum.

Mit Witzen über Greta Thunberg macht sich Dieter Nuhr nicht nur Freunde.
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Dabei, so sagt der Unterhalter gegenüber Medien, gehe es ihm gar nicht darum, den Klimawandel infrage zu stellen, sondern vielmehr darum, aufzuzeigen, dass die Lösungen vieler Fridays-for-Future-Anhänger zu radikal seien. Zuletzt habe er dabei aber deutlich über die Stränge geschlagen, schrieben die "Kieler Nachrichten" in einer Rezension seines Auftritts und implizierten, Nuhr habe Thunberg in die Nähe von Hitler und Stalin gerückt.

Der Artikel, den auch viele andere Medien zitierten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken und sorgte für einige Aufregung – und für Verärgerung bei Dieter Nuhr selbst.

Wirbel um angeblichen Vergleich mit Hitler und Stalin

Die Auftrittsbesprechung der "Kieler Nachrichten" wurde vielfach und vor allem in Boulevardmedien zitiert. Nuhr sah sich daraufhin auf Facebook und Twitter mit noch mehr Kritik von jenen ausgesetzt, die Thunberg unterstützen. Sich an der 16-Jährigen abzuarbeiten, die ja im Endeffekt nur fordere, dass man auf die große Mehrheit der Klimaforscher hören solle, sei "billig und feige", meint etwa Klimaexperte Stefan Rahmstorf.

Die Rezension bewog allerdings auch Nuhr selbst zu einer scharfen Reaktion. Der Artikel der "Kieler Nachrichten" lasse "alle Grundlagen des seriösen Journalismus vermissen". Das Medium habe manche abgebildeten Aussagen "frei erfunden". Er erkenne den Klimawandel durchaus als große Gefahr an. Und auch einen Vergleich von Thunbergs Ideologie mit Hitler und Stalin habe es bei dem Auftritt nicht gegeben.

Redaktion entschuldigt sich

Die "Kieler Nachrichten" sind mittlerweile zurückgerudert. In der inzwischen entfernten Rezension habe es "einige missverständliche Formulierungen gegeben", schreibt die Chefredaktion zu den Vorwürfen von Nuhr. "Wir bedauern dies sehr und entschuldigen uns an dieser Stelle."

Einige Fans des Comedians würden nun allerdings behaupten, die Namen Hitler und Stalin seien nicht gefallen. Das bestreitet der Autor der Rezension allerdings. Einen Bogen von der "ideologischen Radikalität der Klima-Aktivisten, so sie denn konsequent umgesetzt würde, zu den verheerenden Folgen der Diktaturen von Hitler und Stalin" habe Nuhr sehr wohl geschlagen.

Nuhr fühlt sich zensiert

"Ich lasse mir nicht den Mund verbieten", meinte der Comedian in einer vor vier Wochen aufgezeichneten, aber erst kürzlich ausgestrahlten "Show zur Frau" in der ARD, die Nuhr selbst als nach wie vor aktuell ansieht. Die Aufregung im Netz würde maximal zwei Prozent der Bevölkerung reflektieren und sei "ein totaler Furz gegenüber dem, was das normale Leben macht", meint er etwa. Auch diese Aussagen blieben freilich nicht unkritisiert.

In einer Besprechung der Sendung in der "Frankfurter Rundschau" werden ihm zwei Irrtümer vorgeworfen. Erstens: Eine Kritik an seinen Äußerungen sei noch lange kein Sprechverbot. Und seine Witze über Fridays for Future entsprächen eigentlich nicht dem "Wesensmerkmal der Satire", die üblicherweise für Kritik an Mächtigen dient und nicht, um "als gut bezahlter Fernsehkabarettist nach unten zu treten".

Allerdings erklärt Nuhr wiederum auch, dass er die meisten Shitstorms gar nicht mitbekomme, bis er von irgendwem eine SMS mit guten Wünschen erhalte. Gleichzeitig kokettiert er auch mit der Aufregung im Netz, etwa mit dem Hinweis auf den Termin seiner Sendung, damit alle wüssten, "wann der Shitstorm anzufangen hat".

Sendung steht nicht zur Debatte

Ganz ausgestanden dürfte die Aufregung jedenfalls noch nicht sein. Zuletzt teilte Nuhr gegen den "Stern" aus, der zu dem Schluss kam, dass die Medien ihm "auf den Leim gehen" würden, da er sich die Aufregung eigentlich wünsche. Was er sich eigentlich wünsche, sei "Ruhe vor dem 'Stern' und anderen Boulevardmedien", schreibt der Künstler auf Facebook. Überhaupt wäre er nicht unglücklich, wenn die Medien ihn generell ignorierten.

Seinen regelmäßigen Auftritt im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird es aber auf absehbare Zeit weiter geben. Gerade nach dem mutmaßlichen Hitler-Vergleich war von manchen Kritikern auch eine Absetzung der Sendung ins Spiel gebracht worden. "Satire hat im RBB und in der ARD eine reiche Tradition. Öffentlichen Reflexen nachzugeben, die eine Absetzung von Sendungen oder Künstlern fordern, weil die geäußerte Meinung nicht gefällt, widerspräche unserer Auffassung von künstlerischer Freiheit und demokratischem Austausch. Wir stehen grundsätzlich für Meinungsvielfalt ein", heißt es dazu von den Programmverantwortlichen gegenüber "Watson". (gpi, 28.11.2019)

Der Körpersprache-Experte Stefan Verra führt den Widerstand gegen die Klimaaktivistin auf ihre Ungeduld und Aggression zurück
DER STANDARD