Magazin ohne Titelfoto: Neue Ausgabe von "NIN".

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Belgrad – Die jüngste Ausgabe der Belgrader regierungskritischen Wochenzeitschrift "NIN", die am Donnerstag an Verkaufsstellen vorliegen sollte, war zuerst nicht zu finden. "Nicht zugestellt", hieß es auf Anfrage der APA an verschiedenen Kiosken. In einem der größeren Belgrader Supermärkte galt die jüngste "NIN"-Ausgabe zwar als zugestellt, ist aber, wie erläutert, nicht geliefert worden.

Vucic und das Gewehr

Der Grund war die Titelseite der Zeitschrift, die am Mittwochnachmittag im Vorabdruck für heftige Proteste von etlichen Funktionären der regierenden Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) gesorgt hatte. Auf der Fotografie war Präsident Aleksandar Vucic bei einem zwei Jahre zurückliegendem Besuch eines serbischen Waffenproduzenten zu sehen, wobei ein Gewehr, das auf der Fotografie zu sehen ist, in seine Richtung ausgerichtet war. Die Fotografie war 2017 von der staatlichen Presseagentur Tanjug gemacht worden, "NIN" hat sie nun übernommen. Nach Deutung der Tanjug sei von der Zeitschrift nur ein Teil der Fotografie übernommen worden, wodurch ihr Inhalt verändert worden sei.

Der SNS-Klubchef Aleksandar Martinovic deutete die Fotografie als "Aufforderung zum Mordangriff" auf Vucic. Ähnlich intoniert waren auch die Meinungen einiger anderer SNS-Spitzenfunktionäre. Die Gemeinheiten, die der NIN zugeschrieben worden seien, konnten nur von einem "finsterem Gehirn" erfunden worden sein, erwiderte die NIN-Redaktion laut der Tageszeitung "Danas". Kritiker der NIN-Titelseite verwiesen allerdings auch darauf, dass noch nicht so lange her, im Jahre 2003 der damalige Premier Zoran Djindjic erschossen worden sei.

Der "NIN"-Herausgeber Ringier Axel Springer Srbija teilte unterdessen am Donnerstag mit, dass die jüngste Ausgabe der Zeitschrift in kürzester Zeit doch auf den Markt kommen würde, allerdings ohne die Titel-Fotografie bzw. mit weißer Fläche an deren Stelle. Im Internetportal war sie bereits zu sehen. Der Inhalt der Zeitschrift werde unverändert bleiben, teilte der Herausgeber mit.

Recherche zu Waffengeschäften

Die Wochenzeitschrift befasst sich schon seit Wochen mit den Waffengeschäften einiger staatlicher Waffenproduzenten, die auch die Frage über einen Interessenskonflikt des Innenministers Nebojsa Stefanovic aufwarfen. Sein Vater, Branko Stefanovic, sollte nämlich im Auftrag einer Privatfirma beim staatlichen Munitionsproduzenten Krusik in Valjevo wiederholt die Munitionsanschaffungen unter dem Preis vereinbart haben. Die Zustimmung dazu sollte unter anderem auch vom Innenminister, d.h. seinem Sohn, erteilt worden sein.

Wie der öffentlich-rechtliche TV-Sender RTS am Donnerstag berichtete, habe die Staatsanwaltschaft für Organisierte Kriminalität unterdessen den Militärgeheimdienst VBA und den Geheimdienst BIA aufgefordert, die Geschäfte des Munitionsproduzenten Krusik mit Privatfirmen unter die Lupe zu nehmen. Es soll festgestellt werden, ob sie die Munition wirklich unter dem Produktionspreis erworben hatten, um sie gewinnbringend weiter zu verkaufen. Die Lieferungen durften, wie Enthüllungsjournalisten feststellten, nach Saudi-Arabien gegangen sein.

SNS-Führungsmitglied Nebojsa Stefanovic gilt als einer der engsten Mitarbeiter des Partei- und Staatschefs Vucic. Dies ist auch einer der Gründe, warum regierungskritische Medien immer wieder darüber spekulieren, dass Vucic über die Waffengeschäfte von Privatfirmen auf dem Laufenden sein musste. (APA, 28.11.2019)