Glaubt man den Medien, ist das letzte Stündlein der SPÖ bereits angebrochen, und nur die Ärzte, die sich wie in den letzten Jahren immer nach einem Wahlschub an ihrem Krankenbett gegenseitig auf die Zehen treten, wollen es noch nicht wahrhaben. Müssten doch etliche von ihnen eingestehen, fatale Therapieversuche jahrelang mitverordnet oder zumindest aus Bequemlichkeit geduldet zu haben. Um die Friedhofsstimmung etwas aufzuhellen, sei auch einmal daran erinnert, dass diese Partei in ihrer Geschichte schon mit existenziell schwierigeren Situationen konfrontiert war und überlebt hat. Heilung sollte auch diesmal möglich sein, wenn man sich zu einer kritischen Anamnese, bezogen auf die letzten zwanzig Jahre und nicht nur auf die letzten Wahlen in Bund und Land, durchringen kann.

Die SPÖ-Zentale in Wien.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Ohne aus den alten Fehlern gelernt zu haben, wird aus der "Revolution", wie sie etwa der Kärntner Landeshauptmann forderte, oder aus den Denkanstößen eines noch so leidenschaftlich Roten nicht viel werden, sind die doch allesamt weder so sensationell, dass ihrer Etablierung bisher etwas entgegengestanden wäre, noch widerspruchsfrei. Klarere Sprache, bessere Koordination, mehr Geschlossenheit? Alles Selbstverständlichkeiten, nach denen zu rufen nicht erst eine Parteikrise eintreten müsste. Die SPÖ eine Partei der arbeitenden Menschen? Ja, was denn sonst? Ihr Problem ist ja nicht, dass sie von der Wählerschaft als Kapitalistenpartei verkannt und verstoßen wird, sondern, dass sie ein Gefühl vermitteln will, sie kümmere sich um die "Sorgen der Menschen". Aber die Vermittlung von Gefühlen reicht zur Beseitigung oder Linderung der Sorgen nicht aus, abgesehen davon, dass in der Mobilisierung von Gefühlen andere viel gewandter und rücksichtsloser sind, wie man – nur ein Beispiel – im Umgang mit der Migrationsfrage sehen kann.

Gesellschaftspolitische Resignation

Die SPÖ hat sich historisch eher als eine Partei der Aufklärung verstanden, die ihr Handeln auf einer Analyse der Gesellschaft aufbaute. Heute scheint sie sich in einer Welt, die sie einmal verändern wollte – und dies auch getan hat –, selber nicht mehr zurechtzufinden. Es ist alles komplizierter geworden, und je komplizierter sich eine globalisierte Welt darstellt, desto schwerer sind die Probleme zu durchschauen und Lösungen zu vermitteln.

Keine leichte und eine nicht gleich bedankte Aufgabe. So ist es ein Zeichen von gesellschaftspolitischer Resignation, wenn manche in der SPÖ glauben, man müsse, statt als Demokraten ein Wahlrecht für hier lebende Ausländer zu fordern, lieber gegen "Eliten" in der eigenen Partei auf den "Österreicher zuerst"-Kurs von FPÖ und ÖVP einschwenken wollen. Es funktioniert ohnehin nicht, weil sich Glaubwürdigkeit, worum die die SPÖ derzeit so heftig ringt, auf diese Weise nicht erwerben lässt.

Ein Problem der Glaubwürdigkeit ist auch seit langem erst die Kür und dann der Umgang mit der Parteispitze. Es ist etwas faul in einer Partei, wenn Nachwuchsfragen als Suche nach Erlösern abgehandelt werden, denen man Verantwortung aufbürdet, von der man sich selber erlösen will, ohne sie deshalb mit Solidarität zu verwöhnen. (Günter Traxler, 29.11.2019)