Der Architekt Adolf Krischanitz wohnt im Hochhaus Herrengasse in Wien. Am meisten fasziniert ihn der gepflegte Dialog zwischen Kunst und Architektur. Wichtiger Hinweis: Die Ecke muss immer frei bleiben.

"Ich umgebe mich gerne mit Kunst, denn Kunst ist monomanisch. Kunst macht, was sie will, und sie muss sich nach nichts anderem richten als nach sich selbst. Ist das nicht wunderbar?

Adolf Krischanitz in seinem Zuhause. In der Küche bereitet er am liebsten Tee zu.
Foto: Lisi Specht

Architektur hingegen muss immer auf gewisse Zwänge reagieren – auf Funktion, auf Praktikabilität, auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit. Das macht das Bauen natürlich ungleich komplexer. Die Kombination von Kunst und Architektur jedoch, um diesen Gedanken fertigzuführen, ist eine, die mich besonders anspricht.

In meiner eigenen Architektur liebe ich es, künstliche Sachzwänge einzuführen und mit Zitaten zu arbeiten beziehungsweise auf historische Vorbilder zu verweisen. Die Bank ist mein eigener Entwurf, produziert von Wittmann, und ist in Anlehnung an die Wiener Werkstätte, die ich sehr schätze, in diese quadratischen Noppenfelder aufgeteilt.

Die beiden Beistelltische sind von Hermann Czech. Und die kleine Kochnische, die sich wie eine Schlucht in die Ecke vertschüsst, war früher einmal grau, und jetzt ist sie aus Holz. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, die Küche sei hier viel im Einsatz. Was ich am häufigsten zubereite? Tee. Ich bin ein richtiger Teetrinker.

Der Architekt Adolf Krischanitz ist "kein Freund von zugebauten Ecken und bis zur Kante angebauten Sofas".
Foto: Lisi Specht

Am Entwerfen und Einrichten dieser Wohnung mag ich vor allem den gepflegten Dialog mit der Kunst sowie das Reagieren auf die doch irgendwie beengten Raumverhältnisse. Ganz gleich, ob Linien, Noppen, Korbgeflecht, Schachbrett oder Wabenstruktur: Was mir die Kunstwerke vorgeben, das findet sich früher oder später auch im Wohnen wieder. Einer meiner Lieblingsdialoge ist sicherlich das Zwiegespräch zwischen dem marokkanischen Teppich in Orange und Braun und dem grünen Wittmann-Sofa, das an der Wand hängt.

Ich bin ehrlich gesagt kein Freund von zugebauten Ecken und bis zur Kante angebauten Sofas. Die Ecke muss immer frei bleiben, damit sie auch als solche wahrnehmbar bleibt. Ich spiele gerne mit den Ecken. Einerseits entspannt mich die Entwurfsarbeit zwischen Raum und Ecke, andererseits kann ich nicht abstreiten, dass hier nicht auch eine gewisse neurotische Besessenheit mitschwingt.

Mein persönliches Ziel ist jedenfalls die Balance zwischen Freiheit und Konzentration. Und es ist zutiefst befriedigend, wenn sich dieses mathematische, geometrische, architektonische Gleichgewicht einstellt.

Beim Einrichten geben Kunstwerke vor, was sich früher oder später auch beim Wohnen wiederfindet.
Foto: Lisi Specht

Damit hängt vielleicht auch die Wahl dieser Wohnung zusammen. Ich wollte unbedingt im Hochhaus in der Herrengasse wohnen. Mich hat das Gebäude von Theiss & Jaksch immer schon fasziniert, dieser versteckte, elegante Umgang mit Höhe, indem die obersten Geschoße so zurückgestaffelt sind, dass man sie von der Straße aus nicht wahrnimmt. Das ist der Aspekt der Freiheit.

Der Faktor Konzentration bezieht sich darauf, dass die Wohnung nur 65 Quadratmeter groß ist. Hinzu kommt – und das zahlt wieder auf das Freiheitskonto ein – eine Terrasse mit Blick auf die Rückseite des Burgtheaters.

Zur Freiheit gehört auch, dass meine Frau, Elisabeth Schnürer, einst Chefredakteurin der Brigitte Österreich, jetzt Autorin von Büchern und Theaterstücken, ebenso ihre eigene Wohnung hat. So genießen wir beide die Möglichkeit, uns zurückziehen zu können. Oder wir fahren in unser Haus in der Nähe des Stifts Göttweig in Niederösterreich.

Mein Vater war Eisenbahner, ich liebe das Unterwegssein zwischen den einzelnen Wohnorten. Aber tatsächlich wohne ich am meisten in meinem Büro.

Das ist natürlich keine Lösung auf Dauer. Mein Plan ist, mich aus meinen beiden Architekturbüros in Wien und Zürich allmählich zurückzuziehen. Bloß weiß ich nicht, wie das geht.

Und sollte mir das gelingen, so weiß ich erst recht nicht, wie man dann wohnt. Ich glaube, ich muss das Wohnen erst neu erlernen. (2.12.2019)