Hans Peter Doskozil wettert mit schon hörbar festerer Stimme über die Irrwege der Sozialdemokratie.

Foto: Matthias Cremer

Hans Peter Doskozil hat keinen Schreibtisch und keinen Computer. In seinem Büro stehen Sitzgruppen und Couchtische voller Akten. Gemütlich ist es gleichwohl nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um die eigene Partei geht. Da kann er – vor allem bei dummen Fragen – wenn schon nicht laut, so doch lauter werden. Seine Stimme hat sich – "Ich habe eine gute Logopädin" – hörbar erholt.

STANDARD: Eine dumme Frage: Wie geht's der SPÖ?

Doskozil: Wir haben im Bund und in der Steiermark das historisch schlechteste Ergebnis. Also, gut geht's uns nicht.

STANDARD: Was läuft falsch?

Doskozil: Es wird immer gesagt, wir müssen – Ich kann das Wort schon nicht mehr hören! – eine Erzählung haben, das Narrativ muss passen. Das ist doch verrückt! Ich brauche den Leuten keine Geschichte erzählen. Ich muss Glaubwürdigkeit rüberbringen. Muss, was ich sage und verspreche, auch umsetzen. Muss wissen: Was bewegt die Leute?

STANDARD: Was bewegt die Leute?

Doskozil: Jeder will das Beste für seine Kinder und für sich selbst einen gewissen Wohlstand. Die Kunst ist, so breit wie möglich diese Lebensverhältnisse zu regeln. Darauf müssen wir Antworten geben. Dass man dann kategorisiert wird in links, rechts, Mitte: Das sind die Kommentare. Aber das interessiert die Leute doch nicht.

STANDARD: Wie also geht SPÖ?

Doskozil: Die Grundausrichtung haben wir im Burgenland jetzt vorgegeben. Es wird sich also nichts daran ändern, dass wir in Sicherheits- und Migrationsfragen sehr konsequent sind. Im Rahmen des Rechts natürlich. In anderen Fragen: Glaubwürdigkeit. Der Mindestlohn ist das beste Beispiel. Ich bin noch nicht so lange in der Politik, aber ich habe auf Bundesebene miterlebt, wie der Mindestlohn diskutiert wurde.

STANDARD: Die Löhne aber sind Kompetenz der Sozialpartner.

Doskozil: Der allgemeine Mindestlohn wäre 2017, im Zuge der Debatte um Christian Kerns Plan A, mit den Sozialpartnern machbar gewesen. Aus Rücksicht auf die Kompetenzen der Gewerkschaften hat man das nicht gemacht. Jetzt bleibt vom Plan A über, dass es ein PR-Gag war.

STANDARD: Hat die SPÖ die Arbeit, den Wert von Arbeit insgesamt zu wenig thematisiert?

Doskozil: Ich sage das jetzt salopp: Wenn man sich – was niemand von uns ja tut – einen Pfuscher organisiert, dann wirst du schwer wen finden, der das, brutto für netto, unter 20 Euro in der Stunde machen wird. Und wir diskutieren, ob zehn Euro gerecht sind oder nicht? Das ist doch eine Verhöhnung! Da haben wir versagt! Und dann beklagen wir uns, dass die kleinen Leute, die wenig verdienen, nicht mehr die SPÖ wählen. Mich wundert das nicht. Ich erzähle immer von den Mitarbeiterinnen in der Küche im Krankenhaus Oberwart. Wenn ich dort runtergehe und sage, wir fordern einen Mindestlohn von zehn Euro, dann wählt mich dort keine einzige Frau. Weil wir immer nur geredet und nie gemacht haben. Und deshalb setzen wir das im Burgenland jetzt um.

STANDARD: Im Landes- und landesnahen Dienst.

Doskozil: Das ist der Anfang. Wir werden den Druck erhöhen auf alle Gesellschaften, die vom Land abhängig sind. Dann kommen die Ausschreibungen dran. Schritt für Schritt muss der Mindestlohn umgesetzt werden.

STANDARD: Sie haben gesagt: Im Burgenland endet der dritte Weg der Sozialdemokratie, auf dem so heftig mit dem Neoliberalismus geturtelt wurde. Wäre das schon so ein Stoppschild?

Doskozil: Was wir brauchen, ist ein neues Profil. Was passiert denn jetzt? Ohne Namen zu nennen, ich will niemandem zu nahe treten: Einer schreibt ein Buch (Gerhard Zeiler, Anm.), der andere einen Brief (Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser), wieder andere sagen, wir brauchen einen Parteitag (SJ-Chefin Julia Herr). Aber keiner sagt, was wir machen sollen.

STANDARD: Darum bin ich ja da. Was sagt Hans Peter Doskozil?

Doskozil: Genau das, was wir im Burgenland machen: ehrliche, glaubwürdige Politik. Bestes Beispiel Casinos: Wir sind doch nicht mehr glaubwürdig, wenn unser Vertreter dort (Dietmar Hoscher) verdient wie ein Großmogul.

Die Lage wird für Pamela Rendi-Wagner immer heikler: Indizien verdichten sich, dass die SPÖ-Chefin aus dem Amt gedrängt werden soll.
ORF

STANDARD: Auch in der Löwelstraße hat es großmogulische Beraterverträge gegeben. Und jetzt haut man die Leute raus.

Doskozil: Ich will dazu nicht viel sagen, da hab' ich zu wenig Einblick. Aber die Beraterverträge hätten komplett weggehört. Sofort. Wenn die Kündigungen durchgezogen werden, habe ich immer noch 75 Mitarbeiter. Wenn ich es nicht schaffe, mit diesen 75 Mitarbeitern eine Presse- und Beraterarbeit zu implementieren, dann passt was nicht.

STANDARD: Glaubwürdigkeit hängt auch an Personen. Wann gibt es High Noon in der SPÖ? Sie haben immer gesagt, wer Wahlen verliert, sollte zurücktreten. Michael Schickhofer in der Steiermark hat das beherzigt. Die Parteichefin nicht. Noch nicht?

Doskozil: Das Ergebnis kann man nicht nur der Parteichefin umhängen. Natürlich trägt sie die Hauptlast der Verantwortung. Aber wir sind am Beginn einer Oppositionsperiode. Wir dürfen jetzt nicht den Kopf verlieren. Es wird eine türkis-grüne Regierung geben. Es wird eine grüne Politik geben, die auch die ÖVP und die Menschen spüren werden. Stichwort kilometerabhängige Maut. Das wird die Phase sein, wo die SPÖ thematisch auch wieder Tritt fassen wird.

STANDARD: Mit Pamela Rendi-Wagner?

Doskozil: Das ist im Moment überhaupt nicht die Frage. Aber es ist klar, jeder, der in die Politik geht, kriegt schon einen Ablaufstempel. Ich werde nie vergessen, was der damalige Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika, gesagt hat. Auf meine Frage, warum er so ruhig bleibe, obwohl er im Clinch mit dem Innenminister, damals Caspar Einem, war, hat er gesagt: Der Baum ist schon gepflanzt, gegen den er laufen wird. So ein Baum ist für jeden Politiker schon gepflanzt.

STANDARD: Wie aber will man den Leuten signalisieren, dass alles nun anders wird? Glaubwürdiger?

Doskozil: Wir müssen die Partei von den Ländern her erneuern, wenn es um konkrete Fragen geht: Pflege, Mindestlohn, Biowende. Das wäre auch mein Wunsch an die anderen SPÖ-Länder.

STANDARD: Das Burgenland eine sozialdemokratische Modellregion?

Doskozil: Genau. Aber Sozialdemokratie so verstanden, dass sie den Menschen dient und jene Lebensverhältnisse, die wichtig sind, regelt. Nicht ideologisch hochtrabend in irgendwelchem Elitedenken.

Am Mittwoch debattierten der frühere SPÖ-Geschäftsführer Joe Kalina und der Ökonom und frühere Chef der Sektion 8, Niki Kowall über die Zukunft der SPÖ. Sehen Sie hier einen Ausschnitt aus der Debatte.
DER STANDARD

STANDARD: Wen meinen Sie eigentlich mit "linken Eliten", wie Sie das unlängst in einem Presse-Interview gesagt haben? Und was an dem, was diese sagen, ist Ihnen "wurscht"?

Doskozil: Da gibt es genug Aushängeschilder. Ich will gar nicht in die namentliche Diskussion. Ich habe in den letzten drei, vier Jahren schon genug erlebt, auch an Anfeindungen mir gegenüber, die es gegenüber Parteifremden wahrscheinlich so intensiv gar nicht gibt. Diese linken Eliten glauben, dass sie die reine Lehre gepachtet haben, da gibt es keinen Funken Kompromissbereitschaft.

STANDARD: Die Sozialdemokratie war immer stark, wenn sie auch die Intellektuellen an ihrer Seite hatte. In der Kreisky-Ära etwa.

Doskozil: Nur ein Beispiel: Wir träumen immer noch von den bildungspolitischen Errungenschaften unter Bruno Kreisky. Und dann? Seitdem haben wir nur Strukturen diskutiert. Es interessiert die Leute aber nicht, wer den Direktor bestellt, welcher Lehrer wohin versetzt wird. Die interessiert, was und wie ihre Kinder lernen. Und darum muss die Sozialdemokratie sich kümmern.

STANDARD: Ende Jänner sind im Burgenland Landtagswahlen. Die SPÖ hat knapp 42 Prozent zu verteidigen, die aktuellen Fisimatenten sind wohl eher wenig hilfreich. Was ist Ihr Wahlziel?

Politikberater Thomas Hofer kommentiert die Abwärtsspirale, in der sich die SPÖ seit einiger Zeit befindet.
ORF

Doskozil: Wahlziel ist ein Plus. Und zwar jedes, auch wenn es nur 0,1 Prozent sind. Diese langanhaltende Negativspirale der SPÖ ist die Herausforderung im Burgenland. Wahlziel ist es also, den Minustrend aufzuhalten.

STANDARD: Die SPÖ war immer eine stolze, starke Zentralpartei. Im Burgenland kandidiert diese nun unter "Liste Doskozil – SPÖ Burgenland".

Doskozil: Die stolze, zentrale Partei – das haben auch die Arbeiter gesehen. Das sieht der kleine Mann nicht mehr so. Im Burgenland aber ist dieser Stolz, dieser demütige Stolz nicht verloren gegangen.

STANDARD: Immer wieder werden Sie auch als Bundesparteichef ins Spiel gebracht. Gerhard Zeiler hat allerdings gemeint, er hoffe, dass Sie nicht Parteichef werden. Sie seien ein Flügel. Aber kein Verbinder.

Doskozil. Nun ja, bei allem Respekt: Gerhard Zeiler vertritt in der SPÖ nicht einmal ein Flügerl. Ich hab' beim letzten Bundesparteitag immerhin 87 Prozent gekriegt. Aber ein für alle Mal: Ich bleibe im Burgenland. (Wolfgang Weisgram, 29.11.2019)