Hildegard Müller wird Deutschlands oberste Autolobbyistin.

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Wo auch immer Hildegard Müller die Führung übernahm, blieb kein Stein auf dem anderen. Das dürfte den Konzernchefs in der festgefahrenen deutschen Autoindustrie bewusst gewesen sein, als sie die 52-jährige Rheinländerin zur Präsidentin des mächtigen Autoverbands VDA kürten. Dabei stach sie sogar den bisherigen EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger aus.

Ihr Vorgänger Bernhard Mattes beim VDA hatte nach wenigen Monaten das Handtuch geworfen, weil die großen Autobauer und Zulieferer, die im Verband gemeinsam organisiert sind, sich nicht einig waren, welche Stellung Verbrennungsmotoren und Elektroantriebe künftig einnehmen sollen. Dementsprechend fehlte der Autolobby ein klares Ziel.

Wendige Strategin

Mit der Ex-CDU-Politikerin Müller holt sich der Verband eine erwiesenermaßen wendige Strategin an Bord. Bereits als Cheflobbyistin der Energiebranche musste Müller von 2008 bis 2016 die Interessen der Atomkraftbetreiber, Kohleverstromer und Vertreter der Erneuerbaren während der Energiewende unter einen Hut bringen. Obwohl sie die Branchenriesen dabei gelegentlich vor den Kopf stieß, brachte sie die deutsche Energiewirtschaft auf Linie. Statt Widerstand zu leisten, fanden sich die großen Stromerzeuger mit dem Ausstieg aus der Atomkraft ab. Dafür verschaffte Müller der Branche das Ohr ihrer alten Chefin Angela Merkel.

Die Kanzlerin machte ihre Parteikollegin 2005 zur Staatsministerin, sie galt als enge Vertraute Merkels. 2008 verließ sie die Politik in Richtung Lobbying. Dort war sie erfolgreich. Schließlich trug die späteren Energiepolitik der großen Koalition die Handschrift des Energieverbands, was die linke Berliner Taz dazu motivierte, Müller eine Plagiatsklage anzuraten.

Betriebswirtin mit Sinn für Humor

Vor drei Jahren übernahm die studierte Betriebswirtin und Mutter einer Tochter beim Stromriesen RWE die Führung des ausgelagerten Netzbetreibers Innogy. Den Posten musste sie nach der Fusion von RWE mit Eon vergangenen Oktober räumen. Entgegen manchen Hoffnungen von Ex-Parteikollegen ging sie nicht in die Politik zurück. Bei Innogy verantwortete sie Deutschlands größtes Netzwerk von Ladesäulen – vielleicht ein Hinweis auf ihre Pläne für die Autolobby.

Todernst wird es nicht immer abgehen, wenn Müller versucht, die Autobosse auf Linie zu bringen. Denn Humor hat sie: Beim rheinischen Karneval warf sie vom Umzugswagen Gummienten in die Menge. (Leopold Stefan, 29.11.2019)