Albert Woodfox, "Solitary". 25,– Euro / 414 Seiten. Grove Press, New York City 2019
Cover: Verlag

Sechzehntausenddreihundertsechzig Tage. Das sind rund 44 Jahre und zehn Monate. So lange saß Albert Woodfox im Louisiana State Penitentiary, 43 davon in Einzelhaft. Es ist das berüchtigtste Gefängnis der USA. Erbaut auf einer ehemaligen Sklavenplantage, ist es bis heute unter dem Namen Angola bekannt – nach dem südafrikanischen Staat.

Dort saß Woodfox ein. 2016 wurde er entlassen. Es war ihm Triumph und Niederlage zugleich, wie er in seiner heuer erschienenen Autobiografie Solitary schreibt. Denn um freizukommen, hat er einen für das amerikanische Justizsystem typischen Kuhhandel akzeptiert und sich in dem Fall des Totschlags schuldig bekannt, der ihm diese Strafe eingebracht hat. Dabei hat er stets seine Unschuld betont.

50 Jahre für einen Raubüberfall

Woodfox war ein Tunichtgut aus New Orleans, dort kam er 1947 auf die Welt. Als Teenager wurde er kriminell und kassierte nach einigen kurzen Haftstrafen eine lange: 50 Jahre für einen Raubüberfall.

Im Gefängnis gründete er einen Ableger der Black-Panther-Bewegung, die er vor seiner Inhaftierung kennengelernt hatte. Nach deren Moral richtete er ab damals sein Leben aus; er und seine Mitinsassen Robert King und Herman Wallace wurden als Angola Three bekannt.

Ihre Zugehörigkeit zur Black Panther Party wurde ihnen zum Verhängnis. Die als radikal eingestufte Partei wurde vom FBI mit allen Mitteln bekämpft, und als 1972 in Angola der Aufseher Brent Miller ermordet wurde, hängte man die Tat Woodfox um, obwohl es keine Beweise gab.

Stattdessen gab es gekaufte Zeugen, widerlegte Aussagen und solche, die nicht zugelassen wurden, weil sie Woodfox entlastet hätten. Die vollzählig aus Weißen bestehenden Geschworenen wussten, was sie zu tun hatte: Woodfox bekam lebenslänglich. Fortan wurde er auf zwei mal drei Metern verwahrt und durfte nur eine Stunde täglich aus der Zelle.

Beklemmend und erhebend

Woodfox beschreibt seine Geschichte trocken. Jegliche Dramatik verbietet er sich, sie ist nicht notwendig, die nüchterne Darstellung der Zustände innerhalb des Gefängnisses reichen vollkommen.

Er befand sich inmitten einer Mischung aus Gewalt, Rassismus, Sadismus und Irrsinn, in der er versuchte, am Leben und bei Verstand zu bleiben. Er hielt am Ethos der Black Panther fest und unterstützte andere. Er verhinderte Vergewaltigungen, verhalf Mitgefangenen zur Freilassung, lehrte einen Mitgefangenen aus der Einzelhaft herausschreiend das Lesen, kämpfte gegen das System, veränderte es im Kleinen.

Für manche Anliegen hungerte er monatelang. Nur sein eigener Fall schien eine lebenslange Falle zu sein. Solitary ist spannend wie ein Krimi, so beklemmend wie erhebend.

Es zeigt die schlechteste und beste Seite des Menschseins. Es ist die Geschichte einer Selbstfindung und Rehabilitierung abseits eines Rechtssystems, in dem das Unrecht System ist; in dem Abstammung und Rasse mehr zählen als Beweise. Dass Woodfox daran nicht zerbrochen, sondern gewachsen ist, grenzt an ein Wunder. (Karl Fluch, 15.12.2019)