Wolfgang Joop, "Die einzig mögliche Zeit". 22,– Euro / 496 Seiten. Kindler, München 2019
Cover: Verlag

Wolfgang Joop hieß "Wölfchen" während seiner ersten Lebensjahre auf dem geliebten Gut Bornstedt bei Potsdam. Die Oma hieß Ote, der Opa Paul, die Tanten Liesel und Ulla, die Mama Charlotte. Abends sang man Sabinchen war ein Frauenzimmer, schöner konnte Kindheit nicht sein.

Aber mit sechs steckte ihn Mama ins Internat, weil sie lieber Männer traf, als sich um ihn zu kümmern. Von dort kam Wölfchen als Knödel zurück, fern der Heimat hatte er sich mit "Milchnudeln" getröstet, zum Frühstück gab es reichlich "Vierfruchtmarmelade". Manches, das er erlebte, macht ihn "überunglücklich, aber Gott sei Dank war der erste Anzug "auf Zuwachs" gekauft.

Als Schüler fertigte der talentierte Zeichner Akte für seine Kommilitonen an: "Der Junge, den sie an einen Stuhl gefesselt hatten, während sie wichsten", verriet ihn. Ein erstes Mädchen hieß Itsche – "Ihr Blick ließ Abergläubische das Kreuz schlagen" –, aber erste "Bräutigamsschmerzen" empfand er wegen Karin.

Damals entwickelte Joop seinen Speziallook: weißer Rollkragenpullover zu gebräuntem Gesicht: Mutti hatte die Bräunungslampe "Hanauer Höhensonne" gekauft, die Schmerzen im Gesicht nach der ersten Sitzung waren unerträglich.

Liebe und Karriere

Auf der Kunstschule dann hieß eine erste Fashion-Ikone "Tümmer-Traudel", aber er verliebte sich in eine andere Karin, mit der zusammen er einen ersten Modewettbewerb gewann, Liebe und Karriere waren auf Schienen. Nur in Muttis Flachdachneubau, wo sie immer noch lebten, machte sich deren neuer Lebensgefährte Sorgen, dass man ihn wegen "Kuppelei" anklagen würde, weil die Jungen schon Geschlechtsverkehr hatten.

Früh wurde Joop Vater. Tochter Jette war pummelig und machte Häufchen nur, wenn die Eltern nach ihrer Pfeife tanzten. Das Verhältnis zu ihr blieb schwierig.

Die Eltern hatten sie bei Oma und Opa abgegeben, um bei Hasso in Franken Fashion zu machen, woran sie aber kolossal scheiterten. Sie landeten in Hamburg, wo "Die Schmitz" vom Bauer-Verlag, passionierte Dunhill-Raucherin, ihm 1800 DM brutto zahlte, um die hauseigene Frauenzeitschrift an der Burda vorbei zu bringen.

Paris und Tunesien

Bald schickte sie ihn nach Paris zu den Modeschauen. Dort sah er Yves, in dessen Modeschauen auch ein gewisser Helmut aus Wien reinwollte, und er traf Karl. Der, damals noch mit schwarzem Vollbart und ohne Brille, löffelte Paraffin mit Zitrone, damit alles Zugeführte flott in den Darm rutschte, seine Taille war mädchengleich. Durch die Fenster des Café de Flore sah Joop die Ankunft einer neuen Göttin: Jerry Hall, damals 17-jährig, sollte ihre erste Show laufen.

Bald sah er dann auch das erste steife Glied an einem Mann namens Gerard Groot, mit ihm war er – spontan – nach Hammamet in Tunesien geflogen. Seine Frau Karin war dann aber ohnehin bald in Jochen, den Zahnarzt, verliebt. Und er selbst entdeckte gewisse Gefühle für Edwin, mit dem er noch heute … Ach!

So geht Leben, genau so! (Manfred Rebhandl, 21.12.2019)