Josh Niland, "The Whole Fish. Cookbook". 33 US-Dollar / 256 Seiten. Hardie Grant, Richmond (Australia) 2019
Cover: Verlag

Einen Fisch zu schuppen ist für Josh Niland die effektivste Art, ihn zu ruinieren. Noch ärger erscheint dem Koch und Betreiber von Sydneys angesehenstem Fischrestaurant St. Peter nur, ihn danach abzuwaschen und auf Eis zu legen. "Ideally, the last time your fish touched water was when it left the ocean", heißt es in seinem eben erschienenen (und einstweilen nur auf Englisch vorliegenden) The Whole Fish Cookbook.

Für das Tartare vom Gelbflossenthunfisch mit gesäuerten Zwiebeln (Seite 97) sollte der Fisch "sieben bis neun Tage gereift" worden sein, worunter Niland das Abhängen in einem Kühlhaus ohne Ventilation bei null bis zwei Grad Celsius versteht.

Zackenbarsch darf überhaupt erst nach zwei bis drei Wochen aus der Kühlung, bevor er zu Carpaccio aufgeschnitten wird. Wer es wagen sollte, Fisch in unseren Breiten derart ungerührt alt werden zu lassen (und dann auch noch roh zu servieren!), darf sich unter Garantie auf Besuch der Lebensmittelpolizei freuen.

Makellose Qualität

Dazu wird es nicht so bald kommen, und nicht nur weil Fisch von solch makelloser Qualität, wie er im St. Peter angelandet wird, bei uns schlicht nicht verfügbar ist. Sondern weil Nilands Kochbuch nach dem medialen Hype in der angelsächsischen Welt bis auf weiteres ausverkauft ist und lediglich über die US-Website von Amazon geordert werden kann – mit entsprechenden Einfuhrzöllen und Wartezeiten.

Das Nachkochen von Nilands Rezepten ist in unseren Breiten ohnehin nur theoretisch möglich: Die überwältigende Mehrzahl der Rezepte verlangt nach Fisch, den es nur in den extrem variantenreichen Gewässern Ozeaniens gibt. Wobei: Der Autor führt stets auch Arten an, mit denen sich vergleichbare Ergebnisse erzielen lassen.

Die eigentliche Sensation ist Nilands autodidaktischer Zugang. Er habe nie verstehen können, warum die Lagerung und Reifung zur Verbesserung der Qualität bei Fleisch seit Jahrhunderten praktiziert werde, Fisch hingegen nach übereinstimmenden Praktiken so gut wie aller Kulturen nur für schnellstmöglichen Gebrauch bestimmt wäre.

Neuartige Delikatessen

Wer radikal sauber arbeitet und dabei auf Wasser verzichtet, hat hinterher nicht nur deutlich besseres, zur Reife taugendes Fleisch, sondern auch viel mehr Material, aus dem Gutes entstehen kann. Niland nimmt seine Fische mit chirurgischer Präzision aus. Leber, Milz, Blut und selbst die Augen verarbeitet er zu neuartigen Delikatessen.

Auf seinem Instagram-Account zeigt er viel davon vor. "Wird Fisch gewaschen – was bei Fleisch niemals erlaubt würde –, dann verbleibt viel zu viel Feuchtigkeit in den Zwischenräumen, speziell dort, wo die Schuppen in der Haut gesteckt sind", sagt er, "genau dort entsteht idealer Nährboden für Bakterien." Ist doch logisch.

Umso unverständlicher, dass erst 2020 ein Australier daherkommen muss, um es dem Rest der Welt zu erklären. Mit einem Buch, das seinen Punkt aller Pracht (ganz wunderschöne Fotos!) zum Trotz auf geradezu bescheidene, protestantische Art zu machen versteht. (Severin Corti, 20.12.2019)