Die vierte Wahl in diesem Jahr ist geschlagen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat nur eine kurze Verschnaufpause. Schon in wenigen Wochen beginnt der Wahlkampf im Burgenland, wo die Kleinpartei um den Einzug in den Landtag kämpft.

STANDARD: In wie vielen Chatgruppen sind Sie eigentlich?

Meinl-Reisinger: Ich bin in einer Neos-Vorstandsgruppe, einer Abstimmungsgruppe für den Klub und einigen Familiengruppen. Aber wir verwenden nicht Whatsapp. Das halte ich aus Datenschutzgründen für hochproblematisch. Ich fürchte, es wäre unendlich langweilig, unsere Unterhaltungen durchzuscrollen.

"Ich fürchte, es wäre unendlich langweilig, unsere Unterhaltungen durchzuscrollen": Beate Meinl-Reisinger über ihre Chatgruppen.
Foto: Andy Urban

STANDARD: "Es reicht", haben Sie vergangene Woche auf Facebook gepostet. Was hat Sie denn so in Rage gebracht?

Meinl-Reisinger: Es war die Fülle an Vorkommnissen, Skandalen, Ermittlungen. Ob Goldbarren, Chats über Posten in der Causa Casinos oder das geladene Gewehr in Georg Dornauers Porsche. Die Politik ist ein dermaßen großer Morast! Dieses Bild wird durch die jüngsten Ereignisse bestätigt. Wir brauchen eine moralische Grunderneuerung.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Meinl-Reisinger: Seit Ibiza gibt es vieles, das wir ernsthaft diskutieren müssen. Nehmen wir die Korruptionsneigung von Heinz-Christian Strache im Video. Er war damals zwar kein Amtsträger, kündigt aber an, etwas zu tun, wenn er in die Position kommt. Das ist eine Lücke im Strafrecht. Auch alle Fragen zur Parteienfinanzierung sind nicht zwingend illegal. Aber es wird herumgemauschelt und getäuscht. Und die Postenschacherei wie bei den Casinos ist nicht neu. Nur weil es zur österreichischen Folklore gehört, macht es das nicht besser. Auch in staatsnahen Unternehmen dürfen wir nur danach gehen, was das Beste für das Unternehmen ist. Es ist untragbar, wenn andere Motive als die Qualifikation des Bewerbers entscheiden. Deshalb reicht's mir.

STANDARD: Aufgrund des Ibiza-Videos wurde intensiv über Transparenz diskutiert und von unterschiedlichsten Seiten die Notwendigkeit neuer gesetzlicher Regelungen aufgezeigt. Dennoch war das für die wenigsten ein Wahlmotiv.

Meinl-Reisinger: Es gibt genügend Menschen, die das interessiert. Und es gibt immer auch genügend andere Motive für eine Wahl. Es ist notwendig, die Dinge permanent aufzuzeigen und zu sagen, wie es besser geht.

STANDARD: Trotzdem scheint es für die Wähler zweitrangig zu sein. Die ÖVP ist seit mehr als dreißig Jahren in der Regierung. Der von Ihnen kritisierte Postenschacher ist schon vor Ibiza thematisiert worden.

Meinl-Reisinger: Die ÖVP setzt auch alles daran, das als reinen FPÖ-Skandal abzutun. Ich sehe das anders. Die Postenbesetzungen waren Teil eines großen Deals zwischen FPÖ und ÖVP. Mir kann niemand erklären, dass Sebastian Kurz und Gernot Blümel nichts davon gewusst haben. Es geht ja nicht nur um die mangelnde Qualifikation des blauen Casinos-Vorstands Peter Sidlo. Es steht auch der Verdacht im Raum, dass es Absprachen zwischen Novomatic und FPÖ gab. Laut Chatprotokollen dürfte das auch in ÖVP-Kreisen bekannt gewesen sein, zumindest Ex-Finanzminister Hartwig Löger dürfte informiert gewesen seien. Wenn irgendjemand im ÖVP-Regierungsteam von diesen Absprachen wusste oder das ruchbar war, hätten sie es stoppen müssen. Nichts tun ist auch ein Beitrag zur Korruption. Um das zu klären, bringen wir gemeinsam mit der SPÖ ein Verlangen auf einen U-Ausschuss ein. Unabhängig davon, dass die Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Komponente klären wird, müssen wir auch über die politische Verantwortung reden – konkret, ob es illegale Parteienfinanzierung und Postenbesetzungen in Zusammenhang mit Gesetzesinitiativen gegeben hat. Der Satz "Die Novomatic zahlt alle" wurde zum Schlüsselsatz im Ibiza-Video. Und deshalb ist Dringlichkeit geboten – denn politische Akteure der letzten Regierung werden wohl auch in der kommenden sitzen.

STANDARD: Sidlo soll monatlich 58.000 Euro erhalten haben. Sind Sie für eine Gagenobergrenze bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung?

Meinl-Reisinger: Ja, das wäre sinnvoll. Es gibt eine Verordnung, die klare Regeln für staatsnahe Betriebe vorsieht. Wir prüfen, ob diese auch für die Casinos anwendbar sein soll.

"Mir kann niemand erklären, dass Sebastian Kurz und Gernot Blümel nichts davon gewusst haben": Die Neos-Chefin zweifelt an der Ahnungslosigkeit der ÖVP.
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STANDARD: Sollen sich diese Bezüge an Ministergehältern orientieren?

Meinl-Reisinger: Nein, diese Unternehmen stehen in einem internationalen Wettbewerb. Wir wollen die besten Leute.

STANDARD: In Ihrer Rede im Parlament haben Sie kritisiert, dass der Staat mit Spielsucht Geld verdient.

Meinl-Reisinger: Das ist ja auch ein beinharter Machtkampf um Lizenzen und Anteile in einem lukrativen Geschäft. Wer die Zulassung besitzt, hat die Lizenz zum Gelddrucken. Das ist ein Monopol, dazu braucht es keine unternehmerischen Fähigkeiten. Es wird sehr viel Geld mit sehr viel Leid gemacht. Ich frage mich, inwieweit es sinnvoll ist, dass die Republik an einem derartigen Geschäft beteiligt ist. Da geht es um Automaten, mit denen Menschen in die Spielsucht getrieben werden. Und die gleiche Behörde, die für Kontrolle, Aufsicht und Spielerschutz zuständig ist, ist auch noch Eigentümervertreter – und damit am gut gehenden Geschäft interessiert. Das ist doch völlig hirnrissig.

STANDARD: Dass Sie keine Freundin verstaatlichter Unternehmen sind, ist bekannt. Sollen die Casinos privatisiert werden?

Meinl-Reisinger: Ich bin nicht generell eine Gegnerin von staatlichen Beteiligungen. Im Fall der Casinos müssen wir das diskutieren. Werden die Lizenzen ausgeschrieben und verkauft, könnte man das Geld in Bildung, Suchtpräventionsprogramme und in die Justiz stecken. Das kann ich mir gut vorstellen. Oder der Staat macht es zur Gänze selber. Aber in Österreich ist es eine Mischform. Bleibt es dabei, müssten wir jedenfalls Aufsicht und Eigentürmervertretung trennen. Wir haben dazu einen Antrag eingebracht.

"Es wird sehr viel Geld mit sehr viel Leid gemacht": Beate Meinl-Reisinger stellt die Beteiligung der Republik an den Casinos infrage.
Foto: Andy Urban

STANDARD: Auch wenn die Lizenzen verkauft werden, verdient jemand an der Sucht der Menschen – nur ist es dann eben ein privates Unternehmen.

Meinl-Reisinger: Wir haben ein grottenschlechtes Glücksspielgesetz. Das gehört dringend geändert. Es gibt hohe Einsatzmöglichkeiten, hohe Gewinnchancen, aber damit auch sehr hohe Verluste. Das hat sich übrigens seit der Glücksspielnovelle 2010 verschlimmert, das ist auch beim Spielerschutz geschehen. Der Bereich gehört streng reguliert. Es braucht ein scharfes Gesetz, zum Schutz der Menschen. Es hat keinen Sinn, Glücksspiel generell zu verbieten, damit findet nur eine Verdrängung in den illegalen Bereich statt.

STANDARD: Wie stehen Sie zu einem Verbot des Automatenglücksspiels?

Meinl-Reisinger: Ich bin für ein Verbot des kleinen Glücksspiels. Das ist höchst problematisch, dort ist der Suchtfaktor besonders groß. Aber schon eine Verlustgrenze, wie es ein Antrag der Neos vorsieht, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. (Marie-Theres Egyed, 29.11.2019)