Sind Sie einer Meinung mit einer Kollegin? Nun, dafür gibt es viele andere Gründe, als ein "Beischlafbettler" zu sein.

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Vielleicht haben Sie ja schon länger geahnt, dass ich auch so einer bin. Ich rede ja ziemlich viel mit Frauen. Und das mit dem Feminismus sollte auch ein Indiz sein. Wenn nicht gar das entscheidende Kriterium. Ich gelte nämlich als Beischlafbettler. Für diejenigen unter Ihnen, denen dieser Begriff nicht geläufig ist: Als Beischlafbettler werden Männer von anderen Männern bezeichnet, um zu signalisieren, dass sie ihr ganzes Tun lediglich darauf ausrichten, um mit Frauen Sex zu haben. Mir wirft man(n) das ständig vor. Wenn ich in den sozialen Netzwerken die Ansichten einer Frau teile, in Artikeln die Expertise von Frauen herbeizitiere oder mich öffentlich dazu bekenne, unter der Führung einer Frau zu arbeiten, dann hat das einen einzigen Grund: Ich will mit diesen Frauen schlafen. Das letzte Mal geschah dies vor wenigen Tagen, als ich mich bei der Autorin und Kolumnistin Jasmina Kuhnke öffentlich dafür bedankte, dass sie gemeinsam mit anderen Menschen unter dem Hashtag #Baseballschlaegerjahre ihre Erfahrungen mit rassistischer Gewalt teilt. Ich fand das mehr als angebracht, weil wir als weiße Mehrheitsgesellschaft leider offenbar immer wieder daran erinnert werden müssen, uns mit der eigenen rassistischen Vergangenheit und Gegenwart zu beschäftigen, statt uns von allein darum zu kümmern. Und weil ich als Mann eine derartige Wertschätzung gegenüber einer Frau anscheinend nicht ernst meinen kann, sondern qua Geschlecht immer einen sexuellen Hintergedanken haben muss, bin ich eben ein Beischlafbettler.

Ich möchte, dass Sie versuchen, sich das bildlich vorzustellen. Es gibt wirklich Männer, die es für wahrscheinlicher halten – oder halten möchten –, dass ich mir unbekannten Frauen nach dem Mund rede, weil ich auf Sex mit ihnen hoffe, anstatt tatsächlich mit ihnen einer Meinung zu sein. Nach dieser Logik grabe ich im Fall von Jasmina Kuhnke als 40-jähriger Vater von vier Kindern mit Langzeitpartnerin eine verheiratete Frau an, die ebenfalls Mutter von vier Kindern ist. Und das nicht etwa in einer Bar oder bei Tinder, sondern auf Twitter. Dazu hätte ich drei Fragen: Wie wahrscheinlich wäre das? Wie erfolgversprechend wäre das? Und angesichts der Tatsache, dass man schon an vollkommenem Realitätsverlust leiden müsste, um diese Vorgehensweise für wahrscheinlich und erfolgversprechend zu halten: Warum sollte irgendjemand mit einer solchen Taktik seine Zeit verplempern?

Jetzt könnte man das alles für belanglose Trollerei von den üblichen Nachtjacken halten, die einfach nur stänkern wollen. Und das ist es zweifellos auch. Aber ein bisschen mehr steckt schon dahinter. Sonst würde sich der Begriff nicht so häufig im Vokabular von antifeministischen "Männerrechtlern" finden, die ihn augenscheinlich dafür benutzen, um ungeliebte politische Positionen zu lächerlich zu machen und zu desavouieren.

Das Absurde daran ist, dass ausgerechnet die Fraktion, die mich und andere Männer der Beischlafbettelei bezichtigt, unerschütterlich daran glaubt, dass Mann in Sachen Männlichkeit dringend aufrüsten muss, um Sex "zu bekommen". Männer, die den Westen als mittlerweile "entmännlicht" definieren und sich die für sie so viel eindeutigeren Geschlechterverhältnisse von einem obskuren Früher zurückwünschen, definieren sich als Alpha und mich als Beta. Alpha sein heißt in diesem Zusammenhang, durch die Zurschaustellung von Dominanzgebaren und Statussymbole vorgeblich die Attraktivität bei Frauen zu erhöhen.

Mir als Beta-Mann sind diese Möglichkeiten natürlich verwehrt. Deswegen ist es meine Taktik, Frauen in den Beischlaf zu quatschen, indem ich ihnen recht gebe und mich ihnen unterordne. Das muss es sein. Und nicht etwa, dass Frauen recht haben oder es Sinn macht, sie als Chefinnen zu akzeptieren. Spätestens an diesem Punkt sollte klar sein, wer von den Beteiligten übermäßig von Beischlaffantasien besessen ist. Nämlich die Beischlaffixierten, deren ganze Existenz offenbar von bewusst oberflächlichen sexuellen Begegnungen mit ihnen mehr oder weniger fremden Frauen abhängt und die sich nicht vorstellen mögen, dass man(n) auch anderen Motive für den Umgang mit Frauen haben könnte. Beischlaffixierte, das sind übrigens auch die, die Feministinnen "untervögelt" wähnen und ihnen nicht genehme politische Überzeugungen von Frauen "kurieren" wollen, indem sie diesen wünschen, "mal wieder ordentlich durchgefickt zu werden" – oder sich gleich selbst dafür anbieten. So kurz sind in den Köpfen die Wege von Sex zu sexualisierter Gewalt.

Rein in den Lebenslauf

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich halte sowohl Frauen als auch Männer grundsätzlich für deutlich vielschichtiger, als sie diese doch eher erbärmliche Weltanschauung aussehen lässt. Wenn mich das in den Augen von "echten Alpha-Männern" für die Bezeichnung "Beischlafbettler" qualifiziert, dann sei es drum. Vielleicht sollte ich unter diesen Umständen darüber nachdenken, den Begriff in meinen Lebenslauf aufzunehmen.

Beischlafbettler aller Länder, vereinigt euch! (Nils Pickert, 30.11.2019)